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Feminismen

Liebe und Politik – warum die Aufteilung von Hausarbeit ein so schmerzliches Thema ist

Michael Hirsch
Philosoph und Politikwissenschaftler, freier Autor und Dozent
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Michael HirschSonntag, 14.07.2019

"Das Private ist politisch". Der klassische Slogan des Feminismus signalisiert zum einen eine Befreiung: eine Ermächtigung dazu, das eigene Leben und die Geschlechterverhältnisse als gesellschaftliche ernst zu nehmen und zu politisieren. Zum anderen aber signalisiert der Slogan auch die Möglichkeit der Entmächtigung, nämlich das Scheitern des Versuchs, danach zu leben: die Falle geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung im Alltag. Davon handelt der folgende Artikel. Er stammt aus dem feministischen Missy-Magazine.

Der Artikel ist ein lustiges Gespräch zwischen zwei Feministinnen über die eigene häusliche Arbeitsteilung mit ihren Partnern. Wir Leser können sehen, auf welch beschämende Art und Weise auch noch beste feministische Überzeugungen im Alltag an der Realität existierender Rollenverteilungen scheitern. "Ich bin Professor, ich werde nicht putzen". Auf diese lapidare Formel bringt der Partner und Vater des gemeinsamen Kindes die häusliche Lage. Will sagen: Die Zeit und die Arbeitskraft eines gesellschaftlichen Leistungsträgers sind so wertvoll, dass sie mit solchen niedrigen Alltagsdingen wie dem Putzen unvereinbar sind.

Hierin drücken sich die gesellschaftlichen Machtverhältnisse der Geschlechterordnung ganz konkret aus: Es muss derjenige die profanen Haushaltsarbeiten übernehmen, dessen Zeit weniger wert ist. Und das sind eben meistens die Frauen. Die bittere Wahrheit dahinter ist: Die Beteiligten wissen eigentlich, was sie tun - Männer mit einem höheren beruflichen Status sind offensichtlich begehrenswerter als andere. Ihre Arbeitszeiten und damit ihre berufliche Beanspruchung sind intensiver als diejenige der weniger Erfolgreichen (also eben auch der emanzipierten Männer). Von daher wird deutlich, worin die einzig mögliche Emanzipation bestehen würde: im gemeinsamen Kampf aller Männer und Frauen für radikal verkürzte Arbeitszeiten für alle.

Liebe und Politik – warum die Aufteilung von Hausarbeit ein so schmerzliches Thema ist

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Kommentare 12
  1. Michael Hirsch
    Michael Hirsch · vor mehr als 5 Jahre

    Lieber Marcus,
    genauso wie die Umweltfrage kann auch die Geschlechterfrage nur durch neue kollektive Regeln gelöst werden. Nur wenn die gesellschaftlich vereinbarten Arbeitszeiten für alle erheblich geringer sind, haben alle die Zeit, im Alltag dauerhaft ihr Berufsleben ohne Stress mit der Haus- und Sorgearbeit zu vereinbaren.
    Wenn wir einseitig auf den guten Willen der Menschen, insbesondere der Männer setzen, und bei den kollektiven Tarifregeln alles beim alten lassen (diese sind ja ebenso wie die ökologisch falschen Preise für Waren und Dienstleistungen wie Fleisch, Automobile, Öl und Flugreisen mächtige Anreizsysteme) - dann sitzen wir einer Illusion auf.
    Wenn statistisch 86% junger Eltern bei der Geburt des ersten Kindes angeben, die häusliche Arbeit fair zwischen beiden Elternteilen aufteilen zu wollen, es nach ein paar Jahren bei neuerlicher Befragung aber nur 16% geschafft haben, diesen Wunsch in die Realität umzusetzen - dann sollten wir uns eingestehen, dass diese 70%-Lücke nicht durch Appelle an fortschrittliche individuelle Moral zu schließen ist.
    Weder die naive Hoffnung auf den guten Willen der Männer hilft uns weiter, solange diese in unverändert familien- und lebensunfreundlichen Arbeitsverhältnissen stecken.
    Noch die private und öffentliche Beschämung von Männern, die sich um ihren Anteil der Familienarbeit drücken und als Trittbrettfahrer durchs Leben sausen, um auf diese Weise ungehindert und auf Kosten derer, die ihren Anteil übernehmen, Karriere machen.
    Die sogenannte Frauenfrage ist in Wirklichkeit eine Männerfrage. Und sie ist eben keine private sondern eine politische: die Frage danach, ob die verschiedenen sozialen Beiträge fair aufgeteilt und bewertet werden.
    Der Artikel aus dem Missy-Magazine legt den Finger in diese Wunde, und zeigt auf, dass uns ohne generelle progressive Neuregelungen der Arbeitswelt die ungelösten gesellschaftlichen Konflikte zu Hause unterm Küchentisch explodieren. Und er zeigt die uneingestandene Komplizenschaft vieler Frauen mit den bestehenden Machtverhältnissen auf: Frauen nehmen an den Hierarchien und Wertmustern der männlich dominierten Gesellschaft eben vor allem indirekt, durch Stellvertretung teil. Und der Preis für den gesellschaftlichen Rang des Partners ist eben die eigene häusliche Mehrarbeit, die gesellschaftlich nicht anerkannt wird (oder die Ausbeutung Dritter im neuen neoliberalen Reich der Dienstbotenarbeit).
    Darum gilt für alle Einzelnen: Seid ehrlich! Sagt und zeigt, wie feministisch Ihr wirklich seid! Und: Augen auf bei der Partnerwahl!

    1. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 5 Jahre

      Danke Michael.
      Klingt alles sehr schlüssig und kommt für mich genau rechtzeitig - meine Frau hat gerade nach mehreren Jahren Kinderpause wieder begonnen zu arbeiten. Nun müssen wir sehen, wie wir es zu Hause auf die Reihe bekommen und dass das eine "feministische Komponente" hat, ist doch motivierend.
      Ich frage mich halt, ob es ein konkreter politischer Weg wäre, pauschal Arbeitszeit bei vollem Lohnerhalt zu verkürzen...und für wen ggf.? Wird das nicht doch nur wieder die vergleichsweise schlecht bezahlten Jobs betreffen und die höher dotierten eben nicht. Kann ein/e ChefarztIn weniger arbeiten? Oder macht das bei mir Sinn? Abgesehen davon, dass ich nicht weniger arbeiten will und mehr häusliche Pflichten eben woanders "einsparen" möchte.
      Es ist mal wieder die Frage, was kann individuell gesteuert werden und was braucht den politischen Rahmen. Im Moment scheint es mir fast nur übers Private "anfassbar" und die politische Frage ist dann, wie man die private Initiative fördert.
      Würde das gerne vertiefen...denn auch diese Komplizenschaftsfrage scheint mir facettenreich...explodiert da wirklich was unter dem Küchentisch? Und wenn nicht, warum nicht? Vielleicht schon der nächste "piqd-Salon"?

    2. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 5 Jahre

      ich muss noch mal...es beschäftigt mich weiter...
      Deine Beurteilung des Missy Gesprächs teile ich vollumfänglich.
      Es beschäftigt mich weiter deine, so selbstsicher gemachte, Empfehlung der allgemeinen Reduktion von Arbeitszeit als Lösung.
      Es will mir nicht einleuchten - oder es scheint mir mindestens extrem theoretisch. Und das behagt mir nicht, weil ich den Eindruck habe, dass das zu zwanghaften, regulativen Entgleisungen führen mag.

      1. Welche Jobs könnte man pauschal und bei vollem Lohnausgleich überhaupt verkürzen? Es fallen einem da zwangsläufig eher die banalen, schlecht bezahlten Jobs ein. Aber den Chefarzt? Die Marketing Chefin in der Messe-Saison? Der Landratskandidat im Wahlkampf? Weihnachtsgeschäft, Inventur, Krise? Wie soll das gehen ohne merkwürdige, regide und antiliberale Zwänge?
      2. Würde die reine, anteilige Reduktion überhaupt verfangen in einer Partnerschaft im Sinne der gerechten Aufteilung von Haus- und Kinderarbeit? Müsste dazu nicht ein genau gleich zeitlicher und energetischer Aufwand für die Erwerbsarbeit beider vorliegen? …was mir widerrum völlig theoretisch erscheint.
      3. Kann man, in einem System, das grundsätzlich der Logik folgt, dass es Wert gegen Leistung gibt und mehr Wert gegen mehr oder bessere (qualifizierte) Leistung, überhaupt in Frage stellen, dass es korrekt wäre, wenn der „Teure“ den „Billigen“ mit Arbeit befasst, die er nicht leisten kann, nicht leisten will oder die eben seiner Qualifikation nicht entspricht in ihrer Bezahlung? Ist das „neoliberal“ oder einfach kapitalistisch? Und müsste man sich an der Stelle nicht über grundsätzlicheres Gedanken machen, wenn man auf der Ebene etwas ändern will? Mir scheint es deplatziert von den privaten Partnern in einer Beziehung zu erwarten oder zu erhoffen, dass sie sich einer so brutal grundsätzlichen Rahmenbedingung widersetzen. Im Kapitalismus erscheint mir das unmöglich und wenn amn ihn abschaffen will, dann muss man woanders anfangen oder?
      4. Wenn man sich die Gruppe „Mann“ und die Gruppe „Frau“ eben im kapitalistischen System betrachtet, dann liegt zunächst bei der Gruppe Frau ein Wettbewerbsnachteil namens „Kind“. Wenn wir nun sagen, dass wir den nicht akzeptieren wollen, sondern dass gesamtheitlich tragen wollen, scheint mir der Ansatz sinnvoller, die Arbeit, den Zeitaufwand, den Wettbewerbsnachteil eben so vollumfänglich wie möglich zu bezahlen. Wovon ja wieder beide in einer Partnerschaft profitieren würden.

    3. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor mehr als 5 Jahre

      @Marcus von Jordan Ich verstehe den spontanen Gedanken dass man etwa den PutzfrauenJob eher (auf)teilen könnte als den ChefarztPosten. aber das ist ein Irrtum. Das geht sehr wohl. zb gibt es Geschäftsführer-Teilzeit. und im Gegenteil: gerade Ärzten täte es gut weniger zu arbeiten - siehe Problem von Bereitschaftsdienste etc.

    4. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 5 Jahre

      @Cornelia Gliem Ok - vielleicht geht es beim Chefarzt...Landratskandidatin im Wahlkampf?
      EinzelhändlerIn im Weihnachtsgeschäft?
      Messe-Saison...ich habe ja ein paar fragende Beispiele genannt. Und auch welche Risiken das mit sich bringt mAn wenn man das versucht so aufzuzäumen...
      Ich bin mir ja selber ganz unsicher - aber mir kommt das vor, also ob man sich nicht traut zu sagen: wir müssen den Kapitalismus verändern! Und anstatt dessen an einer Front anfängt rumzudoktern und ein System im System zu etablieren, das absehbar "abgestossen" werden wird.
      Ist mein Punkt 4 nicht naheliegender?

    5. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor mehr als 5 Jahre · bearbeitet vor mehr als 5 Jahre

      @Marcus von Jordan den Kapitalismus für uns zu verändern - da bin ich voll dabei. (denke dass zb Teilzeit aufteilung für jeden Job würde schon unsere Sichtweise ändern würde). Haben Sie beispielsweise etwa schon mal was von 4in1-Idee gehört?
      https://diefreiheitsli...

    6. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 5 Jahre

      @Cornelia Gliem Kannte ich nicht und gefällt mir sehr gut! Piqen Sie noch diesen Text einmal.
      Ich bin immer etwas in Sorge, wenn ich den Eindruck habe, dass struktureller Wandel im Gegensatz zu individuellem Wandel gesehen wird. Ein "Entweder oder" erscheint mir gefährlich und wenig effektiv. Die klare Formulierung eines gewünschten Effekts der Veränderung und der Unterdruck durch strukturelle Veränderung, der die individuelle Entwicklung hin zur gewünschten, neuen Realität befördert oder ihr eben die nötigen Räume gibt - das scheint mir effektiv.

    7. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor mehr als 5 Jahre

      @Marcus von Jordan Danke für die Rückmeldung - und ja, die Idee ist gut. Das wäre mein erstes ge-Piqd-es :-)

  2. Georg Briele
    Georg Briele · vor mehr als 5 Jahre

    Immer wieder schön, wie mit solchen herbeiphantasierten Anekdoten die angebliche allumfassende Unterdrückung der armen, armen Frauen "belegt" wird. In der Realität arbeiten Frauen zwar mehr im häuslichen Bereich, dafür aber weitaus weniger in der Lohnarbeit. Und besagte Lohnarbeit bedeutet für 99,9% aller Männer eben auch nicht tolle Selbstverwirklichung, sondern harte Pflicht.

    Wie kommt man eigentlich darauf, dass selbst bestimmte Familienarbeit (z.B. den geliebten Kindern ein schönes und gesundes Essen kochen) härter ist als die Lohnarbeit, wo man z.B. in öden Meetings dahin vegetiert oder dem Unbill des Wetters ausgesetzt ist oder gar mit gefährlichen Stoffen oder Geräten hantieren muss? Klar, jeder Part hat seine unangenehmen und angenehmen Seiten, aber die völlig einseitige Darstellung und Wahrnehmung von Feministinnen ist einfach lächerlich.

    Meine private Lösung: Ich mute meiner Frau keine Arbeiten zu, die ich selber auch nicht machen möchte. Also haben wir eine Putzkraft, arbeiten beide Vollzeit und teilen uns den Rest.

  3. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor mehr als 5 Jahre

    Ich verstehe nicht gleich, warum das mit radikal verkürzter Arbeitszeit für alle behoben würde? ...damit alle mehr Zeit für ihre privaten Tätigkeiten haben, so wie Hausarbeit?
    Mir scheint das auf den ersten Blick eine allzu praktische Lösung. Manche Menschen wollen ja vielleicht gar nicht weniger arbeiten und es müsste ja auch in Ordnung sein, wenn jemand sagt, dass er per se keine Hausarbeit machen will - es ist halt nicht ok, wenn er sie jemand anders unentgeldlich reindrücken will.
    Aber vielleicht kannst du da meine Gedankenlücke schliessen?

  4. Elisa Peppel
    Elisa Peppel · vor mehr als 5 Jahre

    Ganz schön traurig, was die Autorin eines feministischen Magazins da schreibt - traurig vor allem für sie selbst, aber auch für alle anderen Frauen: Zu sehen, wie die Autorin da vor ihrem Macho-Mann einknickt und allen Ernstes überlegt, früher aufzustehen, damit er - der notorische Verweigerer von so niederen Aufgaben - mit ihrem Putzergebnis zufrieden ist. Geht‘s denn noch? Sind seit den 1950er-Jahren nicht ein paar Jahrzehnte der Emanzipation vergangen? Sind wir echt nicht darüber hinausgekommen? Und ihr nennt euch Feministinnen? So etwas Erschütterndes und Desillusionierendes wie diese Glosse habe ich schon lange nicht mehr gelesen!

  5. Julia Schwam
    Julia Schwam · vor mehr als 5 Jahre

    Ist schon ziemlich heftig, wenn Männer sagen, Hausarbeit sei unter ihrer Würde, nicht aber unter der ihrer Frau. Ich muss sagen, in meinem näheren Umfeld ist kein Mann so drauf, allerdings macht praktisch immer die Frau mehr Hausarbeit, genau eben aus den bekannten Gründen, verdient weniger, also geht sie in Teilzeit und nicht er usw. Dass das ein strukturelles Problem ist und nicht "Schuld" der einzelnen Männer oder Frauen, ist ziemlich klar. Dennoch würde ich mir sehr wünschen, das Frauen sich solch unverhohlen misogyne Einstellung von ihren Typen nicht mehr bieten lassen, bzw. eben solche Typen nicht mehr als Partner, und Vater ihrer Kinder, wählen würden.
    Ich will damit kein victim blaming betreiben, die beschriebene Situation ist fürchterlich und die Frau tut mir sehr leid.

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