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Sind die Hippies schuld an Trump?

Jannis Brühl
Redakteur
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Jannis BrühlMontag, 14.08.2017

Wie wurden die US-Konservativen, die sich einst in der Realität aufhielten, zur „post-faktischen“, anti-rationalen Bewegung, in der noch die wirrsten Theorien über Klimawandel und Weltverschwörung ihren Platz haben? Die Erklärung von Kurt Andersen für den Wahnsinn, der Amerika erfasst hat, ist eine der originellsten: In den sechziger Jahren war es ihm zufolge die Linke, die das rationale Weltbild durchlöcherte – mit Auswirkungen bis heute:

If the 1960s amounted to a national nervous breakdown, we are probably mistaken to consider ourselves over it.

In der Gegenkultur – die Andersen insgesamt begrüßt – galten Fakten plötzlich als relativ. New Age blühte, Experten galten alle als von der Regierung bezahlt, etablierte Forscher bestritten, dass psychische Krankheiten überhaupt existieren. Die wissenschaftliche Methode war in pseudo-revolutionären Kreisen keine Errungenschaft mehr, sondern Instrument der Unterdrückung gegen die wahren Bedürfnisse der Menschen.

Die neue Rechte setzte dann seit den Achtzigern ein anti-rationales Programm – inklusive evangelikaler Vorstellungen –  auch politisch erfolgreich durch. Heute beklatscht sie noch die offensichtlichsten Lügen ihres Präsidenten.

Selbst wer die These nicht teilt, kann den Text genießen – als wilde Tour durch den Irrsinn, der Amerika ist. Voller LSD-Trips, Wissenschaftler, die „außerkörperliche Erfahrungen“ erforschen, massenhaft eingebildeter Entführungen durch Außerirdische, Paranoia vor schwarzen Helikoptern der Regierung bis zum – tatsächlich existierenden – Geheimprogramm von FBI und CIA, die versuchten, Agenten das Hellsehen beizubringen.

Den Leser mag der Text daran erinnern, dass auch die deutsche Linke seit den Sechzigern nicht frei von esoterischen, anti-rationalen Anwandlungen war. Und in der amerikanischen Linken etabliert sich gerade, ausgelöst durch Donald Trumps Sieg, ein neues Verschwörungsdenken.

Sind die Hippies schuld an Trump?

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Kommentare 5
  1. Nils Pickert
    Nils Pickert · vor mehr als 7 Jahre

    Ich sehe das ähnlich wie Frederik. Es ist schlicht nicht notwendig, eine derart aberwitzige These in den Raum zu stellen, um sich für durchaus interessante und aufschlussreiche Auführungen über die Abgedrehtheit und Realitätsverleugnung der US-amerikanischen Linken in den 60iger und 70iger in Schwung zu bringen. Stattdessen wirkt es in Zeiten von Clickbaitüberschriften à la "Oh mein Gott, du wirst nicht glauben, was die Linken für Drogen genommen haben und was das mit Donald Trump zu tun hat" einfach nur abgefeimt und beliebig.

    Wie wäre es übrigens, einfach die Lügen und Falschaussagen der McCarthy-Ära für Trump verantwortlich zu machen? Die grotesken Auswüchse der "Zweiten Roten Angst", die Denunziationen, Falschbeschuldigungen und Verschwörungstheorien? Das müsste mir zwar auch dicht und schlüssig belegt werden, wäre aber zumindest schon mal naheliegender.

    LG
    Nils

    1. Jannis Brühl
      Jannis Brühl · vor mehr als 7 Jahre

      Antwort siehe unten bei Frederik;) Aber danke für den Hinweis auf McCarthy! Diese Phase hatte ich vielleicht unterschätzt. Die Bewegungen der Sechziger haben ihre teilweise Brachialität ja vor allem als Gegenreaktion auf die 50er entwickelt.

  2. Frederik Fischer
    Frederik Fischer · vor mehr als 7 Jahre

    Ich hatte lange überlegt, den Text selbst zu teilen und mich dann doch dagegen entschieden. Du hast Recht: Andersen schreibt extrem kurzweilig und die These ist "originell". Die Belege für diese These sind aber dermaßen dürftig, bzw. willkürlich, dass ich hier keinen Erkenntnisgewinn mitgenommen habe. Gerade in dem Wissen über die zahllosen "Gewissheiten" der Vergangenheit, die inzwischen wiederlegt sind, werte ich vieles, was in dem Text beschrieben wird, nicht als "anti-rational". Im Gegenteil: Es ist durchaus rational, nach Belieben an allem zu zweifeln, was sich der eigenen Empirie, bzw. den Erkenntnissen der von mir respektierten Autoritäten widerspricht. Ich möchte damit den Wahnsinn nicht rechtfertigen, den wir momentan erleben (eh klar, hoffe ich). Ich denke aber, es ist Teil der Lösung, anzuerkennen, dass die Aufklärung ebenso ein Glaubenssystem ist, wie Kapitalismus oder Religion, in dem Autoritäten vermeintliche Wahrheiten verkünden, die die meisten Menschen alleine aus Zeitmangel nicht überprüfen können und die daher auf Glauben, nicht Wissen basieren. Wackelt der Glaube an diese Autoritäten, wackelt der Glaube an das gesamte System.

    1. Jannis Brühl
      Jannis Brühl · vor mehr als 7 Jahre

      Mir ist solche linke Selbstkritik lieber als von rechts zu hören, wie degeneriert progressive Menschen doch sind, weil sie keinen Respekt mehr vor traditionellen Werten hätten. Und das ist eben die Krux mit den Autoritäten: Wenn es um Wissenschaft geht, wird es mit der Skepsis heikler als gegenüber Politik und Wirtschaft - weil die Autorität dort - meistens/oft - eben doch auf korrekter Anwendung der wissenschaftlichen Methode beruht, siehe Klima (was natürlich weder Korruption oder Bias im Wissenschaftsbereich noch etwa die miserable Behandlung psychisch Kranker damals in den USA ausschließt). Ich finde die Parallelen durchaus interessant, die Andersen aufzeigt:Der Hass auf Gatekeeper, der Glaube, dass die Eliten irgendwie die Realität kreieren, dass Beharren auf subjektiver Wahrheit, egal wie bequem man sie sich selbst zurechtgelegt hat. Dass man die These kritisch sehen muss, hatte ich anklingen lassen. Provokant ist sie offenbar, das sieht man hier:) Und das mit der Aufklärung als "Glaubenssystem" ist die alte Frankfurter-Schule-Frage, bei der ich teilws skeptisch bin. Im Gegensatz zu echten Glaubenssystemen bietet die Aufklärung mehr Möglichkeiten zur individuellen Abweichung

    2. Frederik Fischer
      Frederik Fischer · vor mehr als 7 Jahre

      @Jannis Brühl In die Diskussion würde ich gerne tiefer einsteigen. Persönlich. Bei Heiß- oder Kaltgetränk. Mit viel Zeit. Aber in Ermangelung all dessen nur drei Ergänzungen:
      Ich zweifele nicht an den wissenschaftlichen Methoden. Wie du schreibst, ist der Reiz dieser Methoden aber vor allem ihre Nachprüfbarkeit. Wem Mittel, Zeit und/oder Interesse fehlen, dem ist damit wenig geholfen. Weder durch Meta-Studien, wissenschaftliche Journals, etc. und noch viel weniger unmittelbar durch eigene Wiederholung. In der Praxis sind die allermeisten Menschen also auf ihren Glauben in den wissenschaftlichen Betrieb zurückgeworfen. Wer selbst nicht studiert hat und Studien hauptsächlich aus widersprüchlichen Schlagzeilen und Ernährungsratgebern kennt, braucht viel guten Willen, um diesen Glauben auch gegen "gefühlte" Wahrheiten aufrechtzuerhalten.
      Zu den Parallelen mit der 68er-Bewegung gibt es auch einen sehr interessanten Text in der taz, der schon vor etwa einem halben Jahr zu einem ganz ähnlichen Schluss kam wie Andersen (bzw. du im Kommentar oben): https://www.piqd.de/fu...

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