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Kopf und Körper

Viel mehr Menschen könnten Schlaftabletten helfen

Theresa Bäuerlein
Journalistin. Autorin. Seit (gefühlt) schon immer.
Zum Kurator'innen-Profil
Theresa BäuerleinMontag, 26.02.2024

Viele Menschen haben Probleme mit dem Schlafen und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Jede:r zehnte in Deutschland leidet sogar unter einer chronischen Schlafstörung. Die meisten Ratschläge, die man im Netz findet, beziehen sich auf Verhaltensänderungen. Kein Handy zwei Stunden vor dem Schlafengehen, bessere Ernährung, Einschlaftrituale und dergleichen. Aber wie es ist eigentlich mit Medikamenten?

Charité-Professor und Schlafmediziner Ingo Fietze sagt, dass viel mehr Menschen mit chronischen Schlafstörungen Schlaftabletten nehmen könnten. 

Wenn man immer zu kurz oder sehr schlecht schläft oder beides, dann braucht man wahrscheinlich eine Tablette. Das ist einfach so. Diese ganzen anderen Maßnahmen sind im Vorfeld wichtig, damit man gar nicht erst in eine Schlafstörung reinrutscht. Präventiv kann man mit nicht-medikamentösen Mitteln einiges machen. Aber wenn die chronische Schlafstörung erst einmal da ist, gibt es keinen Grund, nichts zu nehmen, nur weil Schlaftabletten so einen schlechten Ruf haben. Wenn Sie Migräne haben oder Schuppenflechte oder irgendeine andere chronische Erkrankung, nehmen Sie ja auch ein Medikament, das Ihnen hilft.

Pflanzliche Mittel können sinnvoll sein, wenn man keine Ein- oder Durchschlafstörung hat, sondern einfach sensibel ist, also zum Beispiel auf Geräusche oder Helligkeit reagiert oder viele kreisende Gedanken hat. Zu den pflanzlichen Mitteln gibt es allerdings bisher wenig Evidenz. 

Sicher ist aber: Je eher Sie solche milden Präparate anwenden, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sich Ihr Schlaf dadurch verbessert.

Wenn man es ausprobieren will rät er zu einem pflanzlichen Kombi-Präparat aus der Apotheke, das möglichst hoch dosiert Baldrian, Hopfen und Melisse enthält. Dieses müsse man aber mindestens vier bis sechs Wochen jeden Abend nehmen, wenn es etwas bringen soll. CBD wiederum entspannte stärker als Baldrian, störe aber die Schlafqualität. Ab 55 Jahren könnten auch Melatonintabletten helfen. Die wirksamen seien jedoch verschreibungspflichtig. 

Wenn die  pflanzlichen Mittel nicht helfen, wäre laut Fietze Tryptophan die nächste Stufe.

 Das ist eine Aminosäure, die Vorstufe von Melatonin und Serotonin, in der Apotheke frei verkäuflich und ein Muss für jeden, der nicht gleich stärkere Mittel nehmen möchte. Meiner Erfahrung nach ist mindestens jeder Zehnte Tryptophan-Responder und reagiert fantastisch darauf. 

In eine ähnliche Kategorie, also in die Vorstufe zu stärken Mitteln, fällt Agomelatin.

 Das ist ein gut verträgliches und etwas wirksameres Mittel als Tryptophan, bei dem die Wahrscheinlichkeit, dass jemand darauf reagiert, aber auch nicht höher ist als bei Tryptophan oder Melatonin. Diese drei Mittel – Tryptophan, Agomelatin und Melatonin – empfehle ich allen, die erstmal etwas Mildes nehmen möchten. Von den dreien ist allerdings nur Tryptophan ohne Rezept erhältlich.

Wenn das alles nicht hilft, kann man eine medikamentöse Behandlung in Betracht ziehen. Dann sollte man sich entsprechend beraten lassen.

Wenn Ihr Hausarzt sich mit Schlafmedizin auskennt, ist das erfreulich, es wäre aber eine Ausnahme. Letztendlich gibt es noch viel zu wenige qualifizierte Schlafmediziner, was wir hier in der Charité auch daran merken, dass uns die Leute die Bude einrennen. Trotzdem liegen immer noch jede Menge Schlafgestörte jede Nach wach und quälen sich, weil sie nirgendwo kompetent medizinisch beraten werden. In so einem Fall bleibt einem oft nichts anderes übrig, als sich selbst ins Thema einzulesen und gewissermaßen sein eigener Schlafcoach zu werden. Ich hoffe sehr, dass sich das in absehbarer Zeit ändert, und schule deshalb auch selbst Hausärzte oder wie zuletzt Betriebsärzte, denn angesichts der Breite des Problems und der erheblichen Auswirkungen, die es auf die Lebensqualität der Betroffenen hat, passiert da viel zu wenig.
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Kommentare 2
  1. Hartmut Bischoff
    Hartmut Bischoff · vor 9 Monaten

    Au Weia.
    1. Nur weil es hinter einer Paywall ist, heisst das nicht, dass es ein plumper PR-Artikel sein kann
    2. Nur weil wir Fachkräftemangel haben, müssen wir die Menschen nicht mit allerlei Chemikalien zu allzeit einsatzfähigen Arbeitern machen

    Chronische Schlafstörungen sind eine Krankheit. OK. Da sind medikamenteuse Verfahren angezeigt. Organische chronische Schlafstörungen sind aber sehr selten. Meist sind es die Lebensumstände, die natürliche Rhythmen unterbinden.

    Wir sollten die Menschen ganz brutal vor die Alternative stellen, eine tolle Karriere mit permanentem Drogenkonsum oder ein einfaches, vielleicht auch langweiliges Leben mit natürlichen Rhythmen.
    Ganz ketzerisch ausgedrückt: Wer viel verdient muss auch viel konsumieren. Da gehören auch moderne Drogen dazu. Man schaue sich nur die Umsatzentwicklungen von El Lilly in den USA und Novo Nordisk an ...

    1. Theresa Bäuerlein
      Theresa Bäuerlein · vor 9 Monaten · bearbeitet vor 9 Monaten

      Im Artikel steht klar, dass pharmazeutische Schlafmittel. nicht die erste Wahl sind, sondern es vorher zwei andere Schritte gibt: 1. pflanzliche Mittel und Lebensstilveränderung 2. Vorstufen zu Psychopharmaka wie Tryptophan (eine Aminosäure, die Vorstufe von Melatonin und Serotonin, in der Apotheke frei verkäuflich) und 3. wenn das nicht hilft und man eine chronische Schlafststörung hat, pharmazeutische Schlafmittel.

      „ Wenn man immer zu kurz oder sehr schlecht schläft oder beides, dann braucht man wahrscheinlich eine Tablette. Das ist einfach so. Diese ganzen anderen Maßnahmen sind im Vorfeld wichtig, damit man gar nicht erst in eine Schlafstörung reinrutscht. Präventiv kann man mit nicht-medikamentösen Mitteln einiges machen. Aber wenn die chronische Schlafstörung erst einmal da ist, gibt es keinen Grund, nichts zu nehmen, nur weil Schlaftabletten so einen schlechten Ruf haben. Wenn Sie Migräne haben oder Schuppenflechte oder irgendeine andere chronische Erkrankung, nehmen Sie ja auch ein Medikament, das Ihnen hilft.“

      Ein PR-Artikel ist das nicht, sondern ein journalistisches Interview – etwas anderes würde ich hier nicht piqen…

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