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Quelle: privat
Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
Letzten Samstagabend verbrachte ich in den Kellerzellen des Stasi-Gefängnisses Hohenschönhausen und versuchte mir vorzustellen, wie man es dort nur ein paar Stunden aushielt, ohne durchzudrehen. Auch beim Besuch der Luftschutzanlagen unterhalb des Flugfelds in Tempelhof erging es mir so. Ausnahmesituationen befähigen Menschen anscheinend zu außergewöhnlichem Verhalten. Und Krieg haben wir im Gegensatz zu anderen Europäern, wie der kroatischen Autorin Ivana Sajko, der diesjährigen Trägerin des Internationalen Literaturpreises, nie am eigenen Leib erlebt. An eine Schlüsselszene in ihrem Roman „Rio Bar“ musste ich an diesen unterirdischen Räumen denken. Sajko stellt eine Frau in den Mittelpunkt, die zu Ausbruch des Jugoslawienkrieges aus Hochzeitsfeierlichkeiten gerissen, im Brautkleid den Luftschutzkeller aufsucht, während ihr Bräutigam an die Front beordert wird. Wegen Stromausfalls ist sie in der Dunkelheit auf Geruchs-und Tastsinn reduziert, spürt
„feuchte Wände, raue Oberflächen, Stahlwolle, eine Metalltür, den Hintern von irgendjemandem“,
assoziiert ihre Situation mit Grabstellen, toten Körpern unter der Erde, schildert das Warten, die Ungeduld, zum Nichtstun Verurteiltsein, das Abdriften in wahnhafte Gedanken. Die Erinnerung an den ersten Bombenalarm gräbt sich schließlich stärker ein als die an den ersten Kuss.
Später lernen die Kinder bald im Freien in Schlangenlinien zu laufen, um eventuellen Heckenschützen nicht ins Visier zu geraten. Den in Notunterkünften untergebrachten Frauen bleibt indessen nur die Inventur des Verlorenen:
„Sie streicheln die Gesichter auf den Fotos, schreiben Briefe an Verwandte und internationale Organisationen, bitten um Hilfe, um Staatsangehörigkeiten, schreiben, dass sie es nicht mehr lange in diesen Bretterbuden aushalten, in den Gemeinschaftszimmern, dass sie nicht mehr darauf warten können, dass ihre Häuser wiederaufgebaut werden“.
Das alles wird von der weiblichen Hauptfigur ohne Namen 10 Jahre danach erzählt. Sie hat zwar überlebt, aber auch der Krieg in ihr. Den Traumata versucht sie durch Alkohol und Gelegenheitssex zu entkommen. Delirium, Rausch, Verliebtheit, Verlorenheit, schwarzer Humor wirbeln durch die Handlung. Auch in der Nacherzählung des Krieges lässt sich die Gewalt nicht stoppen, die Betroffenen werden von grausamen Bildern verfolgt, welche plötzlich in den Alltag brechen:
„...während ich dein Ohr, deinen Hals, deine Finger, dein Geschlechtsteil absäge und während ich winsele und steche und jaule und piekse und kotze und stichele und schneide und zerstückele und pflüge und schreiiiiiie und dich töte....“
Die Darstellung des Kriegs in den Köpfen der Überlebenden ist in diesen Anrufungen vereinzelt mit Fußnoten markiert, welche auf einen zweiten Teil des Textes mit dem Titel „Anmerkungen zum Krieg“ verweisen. Hier werden historisch belegbare Zahlen und Fakten vermerkt. Die Autorin nennt 550.000 Vertriebene allein auf kroatischem Gebiet, 150.000, die ins Ausland gingen. Namen von Tätern werden erwähnt, wörtliche Zitate eingefügt, die den Anlass zu den deliranten Bildern des ersten Teiles bilden. Sie dienen als Beleg für die körperliche und psychische Verfasstheit der Hauptfiguren. Die „Historie“ bleibt vom subjektiven Erleben getrennt, kann nicht integriert werden. Das Faktische kollidiert mit dem Gefühlten. Der Krieg im Inneren lässt sich trotz gesammelter Beweise nicht abschließen. Der Leser wird von dem krassen Gegensatz zwischen Kontrollverlust und historischen Tatsachen gleichermaßen erschüttert.
Bei der Verleihung des Internationalen Literaturpreis hielt Ivana Sajkos ebenfalls ausgezeichnete Übersetzerin und Autorin Alida Bremer, ein leidenschaftliches Plädoyer für die vernachlässigte Avantgarde-Literatur aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens. Sie hat recht, es gibt hier eindringliche Literatur zu entdecken. Die Darstellung des Krieges in „Rio Bar“ ist einzigartig.
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