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Sachbuchautor über Romane in Berlin. Letzte Veröffentlichung: "Mein Leben als Tennisroman" (Blumenbar). Kolumne "Bad Reading" im Freitag (das meinungsmedium).
In meiner langen nebenberuflichen Anti-Karriere als Literaturkritiker erhielt ich viele wertvolle Ratschläge für mein Schreiben. Zum Beispiel gleich am Anfang, als ich Mitte der 90er anfing, für die taz Bücher zu besprechen. Dirk Knipphals redigierte die Artikel und meinte, er habe ein Problem mit dem Begriff "Meisterwerk", mit dem ich irgendwas hatte wegloben wollen. Damit könne er absolut nichts anfangen, was das denn sein soll, "ein Meisterwerk"?
Das hat sich mir bis heute eingebrannt. Große Skepsis, wenn andere Kritiker sich selbst als Ausrufer von Meisterwerken inszenieren (also als Autoritäten der Fußgängerzonen-Buchhandlung wie Denis Scheck). Es ging eher darum, nie so zu schreiben wie jemand, der über den Dingen steht. Sondern lieber wie jemand, der zwischen und mitten unter ihnen lebt.
Vor dem Hintergrund natürlich sofort großer "Meisterwerk"-Verdacht bei Michael Maars aktuellem 500-Seiten-Essay über Die Schlange im Wolfspelz – Das Geheimnis großer Literatur (Rowohlt). Maar hatte ich noch nie mit dem Sams-Autor verwechselt, sondern kannte ihn vor allem aufgrund eines Sachbuchs (Titel leider vergessen), in dem er als eine Art Literaturdetektiv versucht, dem jungen Thomas Mann irgendein düsteres Kapitalverbrechen in Italien nachzuweisen, was ihn dann dank der Schwere der auf sich geladenen Schuld überhaupt erst faustisch dazu befähigt haben könnte, ein Buch wie die Buddenbrooks rauszuhauen. Ich glaube, das Ganze verlor sich jedoch in der vagen Ausdeutung von Tagebuchandeutungen, dass Thomas mal gemeinsam mit Heinrich einen Stricher in den Gassen von Venedig (?) kaltgemacht haben könnte.
Anyway, wie mein alter Anti-Freund Herrndorf sagen würde (mit dem auch nicht immer alles Gold war und der sich aus Gründen des Zeit-Managements vorm Tod weigerte, noch länger mit mir Championsleague zu gucken, außer wenn Michael Lentz dabei wäre ...), ich las also mal rein, um zu gucken, ob Maar eventuell auch was Substantielles zu Flaubert zu sagen hatte (ob er zum Beispiel zu gut für uns schreibt). Aber die Schlange im Wolfspelz entpuppt sich leider als schale Stil-Bibel. Am originellsten sind noch die Kapitelüberschriften ("Der Kaiser freute sich: Die Wiederholung", "Verbotne Früchte. Der Gedankenstrich"). Aber dann stehen da Gedanken wie:
Der Stil im engeren Sinn zeichnet sich dadurch aus, daß man den Autor, die Autorin nach ein paar Sätzen wiedererkennt. Der Stil hat eine DNA, die sich bei jedem etwas anders zusammensetzt. Dem geübten Leser fluoresziert dann jede Seite unverwechselbar.
Leider fluoresziert auch beim ungeübten Leser eher so gar nichts mehr, wenn es in die Kasuistik des Kanons geht, zu dem bei Maar Autoren wie Rudolf "Weltpuff" Bochardt, Eckhard Henscheid, Undine Grünter gehören. Und was hat Herrndorf (Tschick) bitte zwischen Walter Kappacher und Botho Strauß verloren? Maar attestiert ihm "emsig weiterspinnende Tumorfäden im Hirn, die den Geist zunehmend abschnürten" und "keine Rücksicht mehr auf formale Erzählregeln legen (sic)", "düster-komische Monumente ohne Vorbild" (Sand) und "schwarzschimmernde Fragmente, für die man bedenkenlos jedes frühromantische aufgäbe"... Spätestens hier fliegen die Geheimnisse großer Literatur dann gegen die Wand.
Während bei George Flaubert (ich weiß, er heißt nicht George – aber lassen Sie diese Variante englisch ausgesprochen nur mal zwei Sekunden sacken und erkennen die Verbesserung) Lehrjahre der Männlichkeit inzwischen nur noch Treffer-versenkt-Sätze über den un-verliebten Frederic stehen.
Auf dem Bett liegend Grübeleien, Buchpläne, Zukunftsvisionen...: "um sich selbst loszuwerden, ging er hinaus." "Er wollte sterben, aber seine Mutter rief nach ihm wegen der Anpflanzungen im Garten." Und dazu die minutiösen Anmerkungen der wahren Literaturdetektivin Elisabeth Edl, im Grunde ein Parallelroman über Abseitigkeiten wie Flauberts Schuh-Fetisch ("Atlaspantöffelchen")!
Ich bin aktuell auf Seite 141 (Ende von Teil I) und werde diese große Verächtlichmachung einer dem Autor als jungen Mann sicherlich nicht fremden Sentimentalität 2021 auf jeden Fall zu Ende lesen.
Und zum Ausklang des Jahres verlinke ich auf die Strokes, Ode to the Mets: Inoffizielle Hymne der Anti-Flaubertianer unter den Tischtennisliteraten und kleiner Gute-Nacht-Gruß an 2020, den Untergang unserer abendländischen Kultur seit den 80ern und so weiter. Gleichzeitig eine Warnung an alle Meisterwerker:
... learned all your tricks, it wasn't too hard.
Quelle: The Strokes Bild: privat EN www.youtube.com
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