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Quelle: privat
Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
Die in Ferienhäusern zurückgelassenen Bücher, die man mangels Lesestoff anliest, können zuweilen Glücksgriffe sein. So geriet ich kürzlich an Edmund de Waals „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ und erfuhr die Geschichte des Palais Ephrussi gegenüber der Wiener Universität. Obwohl ich vier Semester Zeitgeschichte dort studierte und wir zwar das Parteiengewirr während der Weimarer Republik, den Aufstieg der Nazis durchnahmen und Stefan Zweig analysierten, ahnten wir nichts vom Schicksal der Gebäude und darin lebender Menschen während dieser dunklen Zeiten. De Waal macht die Geschichte seiner jüdischen, aus Odessa stammenden Familie lebendig, zeichnet ihre Wege, ihre Räume, ihre Macht und ihre Ohnmacht gegenüber der Raffgier der nationalsozialistischen Behörden nach, indem er einer Sammlung von Netsuke, winziger japanischer Figuren von Paris nach Wien, Tokio und London nachgeht.
Dass de Waal eigentlich Keramikkünstler ist, erweist sich als entscheidend, da der Autor das Schicksal der weit verzweigten Familie anhand von verschwindend kleinen Gegenständen schildert, die erst berührt und herumgereicht, ihre Wirkung entfalten. Seine Recherche führt ihn auf den Spuren seines Groß-Großonkels Charles, eines reichen Lebemanns mit erlesenem Geschmack nach Paris, der unter anderem Proust als Vorbild für den Helden seines Megaromans diente. Charles, ein Förderer der modernen Künste, erlag wie viele damals gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Mode des japonisme und erwarb die Netsuke nach und nach. De Waal zieht frühe Fotografien und Porträts der Familienmitglieder heran, wühlt in ihren Briefen und Schriften. Doch vor allem rekonstruiert er schreibend die verlorenen Räume, Möbel, Textilien und Gemälde. Denn während der erste Teil dieser Erinnerungsarbeit vor allem vom Aufbau von Sammlungen und Wissen auf der einen Seite, auf der anderen Seite von ökonomischer Macht und gesellschaftlichem Aufstieg bestimmt ist, kippt die Erzählung im Laufe der politisch bedrohlichen Entwicklungen. Mittlerweile befanden sich die Netsuke in Wien in jenem Palais Ephrussi, wo sie nicht mehr dem Austausch von fachmännischen Kommentaren, sondern den Kindern als Spielzeug dienten, begleitet von Märchen, die die elegante Mutter erzählte, in deren Ankleideraum sich die Vitrine befand. Nach Österreichs Anschluss an das Deutsche Reich geschahen die Demütigungen und Vertreibungen unverzüglich. Wieder konzentriert sich de Waal bei der Beschlagnahme des beweglichen Besitzes auf einzelne Gegenstände, untersucht, wie sie verwaltet, wie ihr Raub legitimiert und wie die Dinge und Räume schließlich von den Nazis in Gebrauch genommen werden. Die Ungeheuerlichkeit dieser Vorgänge wird so konkret, das historische Narrativ nahezu körperlich greifbar.
Besonders bestürzend liest sich das Protokoll der Wiener Feindseligkeit gegenüber geflüchteten Juden, welche sich nach dem Krieg auf die Suche nach ihrem Besitz begaben. So als wären diese selbst schuld an der ihnen widerfahrenen Behandlung gewesen und wollten die durch eigenes Kriegsleid verdiente Ruhe der Einwohner bloß aufstören. Restituiert bekam die Familie so gut wie nichts, gerettet wurden die Netsuke mithilfe der loyalen Dienerin Anna, die in ihrer Schürze täglich ein paar Figürchen hinausschmuggelte und unter ihrer Matratze versteckte. Diese Anna jedoch, und das bleibt eine für immer verborgene Geschichte, ist nur in der Erinnerung ihrer Dienstherrin vorhanden. Nichts Schriftliches, nichts weiter Auffindbares außer die Folgen ihres Widerstands. Dank dieses Buches werde ich nie mehr am ehemaligen Sitz der Ephrussis vorbeigehen können, ohne dabei auch ein wenig an Japan zu denken.
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