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Technologie und Gesellschaft

Ted Chiang über AI-Accelerationism und McKinsey

René Walter
Grafik-Designer, Blogger, Memetiker | goodinternet.substack.com

Irgendwas mit Medien seit 1996, Typograph, Grafiker, Blogger. Ask me anything.

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René WalterMittwoch, 10.05.2023

Nachdem er vor einigen Wochen in einem viel beachteten Text im New Yorker Magazine AI-Systeme mit komprimierten, verschwommen JPGs des Internets verglichen hatte, legt der bekannte SciFi-Autor Ted Chiang nun in einem zweiten Text nach.

Darin vergleicht er AI-Systeme mit Unternehmensberatungen und geht insbesondere auf die Externalisierung unbequemer Unternehmensentscheidungen an eben diese Unternehmensberatungen ein – "Es tut uns leid um ihren Job, aber wir folgen nur dem Rat der Experten" –, und die dadurch entstehende Entkoppelung sozialer, gesellschaftlicher Verantwortungen. Ebenfalls kritisiert er das von ihm eigentlich favorisierte bedingungslose Grundeinkommen als eine weitere Verlagerung von sozialer Verantwortlichkeit von Unternehmen an den Staat: Gewinne werden privatisiert, die entstehenden Verluste dem Staat aufgebürdet. Ähnliche Gedanken hatte Chiang bereits im vergangenen Monat während seiner Keynote der Summit on AI in society geäußert. 

Ich bin selbst nicht der größte Antikapitalist und stimme dem Text nicht in allen Details zu. Das Bild, das Chiang vom Kapitalismus zeichnet, und in dem es die einzige Aufgabe eines Managements ist, Jobs wegzurationalisieren und durch Automation zu ersetzen, ist unterkomplex und oft allzu einfach gestrickt.

So ist es zwar nicht von der Hand zu weisen, dass KI-Systeme in vielen Sektoren eine Menge Arbeitsplätze vernichten können: Eine jüngst von OpenAI vorgestellte Studie spricht davon, dass bis rund 80 % aller Arbeitskräfte von Automatisierungen durch KI betroffen sein könnten, 20 % davon könnten im Arbeitsaufwand um mehr als die Hälfte verringert werden. Aber dieselbe Studie spricht ebenfalls davon, dass die größten Automatisierungspotenziale eben nicht in Jobs im Niedriglohnsektor liegen, sondern ironischerweise gerade bei den Vielverdienern im Management, den Juristen und, natürlich, auch in Unternehmensberatungen. Capitalism eats itself.

Selbstverständlich aber hat Chiang Recht, wenn er AI-Systeme als parasitär zu menschlicher Arbeitskraft beschreibt, die die Fähigkeit der Extraktion von Mustern aus vor allem geistiger Arbeitskraft in den Händen einiger weniger Unternehmen konzentriert (namentlich sind das derzeit vor allem OpenAI und Microsoft). Gleichzeitig aber zeigt ein vor wenigen Tagen geleaktes internes Dokument von Google, dass grade die Softwarekonzerne fürchten, dass die immer zahlreicher werdenden Open-Source-AI-Systeme ihre marktdominierende Position langfristig gefährden können.

Aktuell streiken Drehbuchautoren in Hollywood, unter anderem wegen der Bedrohung ihrer Arbeit durch künstliche Intelligenz; Illustratoren in der Gaming-Branche sprechen bereits von einem spürbaren Rückgang der Aufträge; ehemalige Kunden von freien Autoren erzeugen ihre Texte heute selbst und IBMs CEO Arvind Krishna hat grade angekündigt, sämtliche Einstellungen in der Verwaltung zu pausieren und Automatisierungspotenziale abzuschätzen. Er spricht davon, dass alleine IBM dank künstlicher Intelligenz in den kommenden Jahren bis zu 7.800 Verwaltungsjobs streichen kann.

In der oben verlinkten Keynote vergleicht Chiang die Entwicklung von künstlicher Intelligenz mit Goethes Zauberlehrling, der altbekannten Allegorie auf die Weisheit, dass sich manche Aufgaben eben nicht aufschieben oder automatisieren lassen. Open-Source-AI und Transparenz von KI-Systemen könnten ein Weg sein, um sich genau dieser unbequemen Aufgabe zu stellen, der Zähmung des Raubtierkapitalismus: 

The Magic Apprentice is the tale of how you can't avoid the hard work. 
Taming capitalism is that hard work.
Ted Chiang über AI-Accelerationism und McKinsey

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Kommentare 1
  1. Meike Leopold
    Meike Leopold · vor mehr als ein Jahr

    Danke, ich fand den Beitrag von Chiang sehr lesenswert

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