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Programmleiter Zukunft des Journalismus am Bonn Institute & Direktor futur eins
Thomas Assheuer macht in seinem Essay für Zeit Online ein wichtiges Gedankenexperiment auf, in dem er sich fragt, welche radikalen Kräfte innerhalb der Union dort gerade nach vorne drängen, vor allem mit Jens Spahn, aller Tarnung zum Trotz nach, aber wahrscheinlich auch mit Friedrich Merz. Ich mag gar nicht viel schreiben, weil der Essay selbst wortgewaltig und klug die große Problematik umschreibt. Denn diese Kräfte wünschen sich nichts geringeres als die Orbanisierung der CDU. Eine CSU für ganz Deutschland – die quasi das Ende des Multilateralismus und Liberalismus einläuten würde.
Nun, da Angela Merkel selbst ihren Rückzug angekündigt hat, trauen sich die Rebellen aus der Deckung und haben mit Friedrich Merz sogar einen Überraschungskandidaten in ihren Reihen. Die Fragen sind nur: Verfügen die Bewerber über ein Programm? Und ist es jenes "Konservative Manifest", das Mitschs Werteunion im Frühjahr unters Volk brachte?
Wenn es so sein sollte, dann hätten die Bewerber außer dem naturtrüben Evergreen "Mehr Vaterland, mehr Landesverteidigung, mehr Kernfamilie" nicht viel zu bieten. Tatsächlich aber bringen konservative Köpfe weitaus radikalere Ideen in Umlauf, und zwar solche, die die Union nicht bloß mit Werte-Schaum aufpolstern, sondern die Deutschland selbst substanziell verändern sollen. Einige dieser Ideen fanden ihren Niederschlag in Alexander Dobrindts Welt-Artikel "Wir brauchen eine bürgerlich-konservative Wende" vom vergangenen Januar. Anfangs war das Manifest als bajuwarisches Hirngespinst belächelt worden – gleichsam als rechtsabbiegende Träumerei eines ehemaligen Verkehrsministers, dessen historischer Nachruhm nicht so überwältigend ausfällt, als dass man zwingend eine Autobahnkapelle nach ihm benennen müsste.
Dass sich ausgerechnet die AfD am meisten Sorgen macht, dass Jens Spahn neuer Vorsitzender der Union werden könnte, weil das die eigenen Wähler zurück zur Union treiben könnte, zeigt das ganze Problem. Dabei müssten nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen eigentlich andere Lehren gezogen werden. Die Lehre aus Bayern ist: Das der Versuch die AfD am rechten Rand zu überholen, gescheitert ist. Die CSU hat gleichermaßen an die Grünen und die AfD verloren. Der Frust galt vor allem Seehofer. Die Wahlschlappe in Hessen war dagegen mehr ein Denkzettel an das schlechte Regierungs-Management in Berlin – denn Bouffier und Schwarz-Grün genossen vergleichsweise gute Noten.
Auch wenn Friedrich Merz bei seinem ersten Aufritt vor der Bundespressekonferenz gemäßigtere Töne von sich gibt, sind diese nicht auch zu erwarten. "Mehr Kapitalismus wagen" heißt sein Werk von 2008 – nach 30 Jahren neoliberalem Impetus in der Politik klingt das eigentlich wie ein Hohn. Thomas Assheuer und ich warnen daher beide eindringlich: Die liberale Gesellschaft in Deutschland ist nach dem Weggang Merkels an einem entscheidenden Prüfpunkt.
Quelle: Thomas Assheuer Bild: Wolfgang Kumm/dpa zeit.de
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