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Sachbuchautor über Romane in Berlin. Letzte Veröffentlichung: "Mein Leben als Tennisroman" (Blumenbar). Kolumne "Bad Reading" im Freitag (das meinungsmedium).
Vor ein paar Wochen starb Janet Malcolm (geboren als Jana Klara Wienerová 1934 in Prag) in Manhattan, die als Autorin des New Yorker berühmt wurde mit einem ebenso ausgeprägten wie kritischen Interesse an Psychoanalyse und Transparent-Machung (ist das überhaupt ein Wort?) des Schreibprozesses. In ihren bekanntesten Büchern befasste sie sich mit Sylvia Plath und Ted Hughes (The Silent Woman), Massenmördern (bzw. über Massenmörder schreibende Journalisten) und dem schwierigen Erbe von Freud. Anlässlich ihres Todes gab es ein paar sehr schöne Nachrufe, unter anderem in der New York Times und von Willi Winkler in der SZ.
Durch Willi Winkler wurde ich auch auf das unten verlinkte berühmte "Anti-Portrait" des Malers David Salle von Janet Malcolm aufmerksam. Über David Salle selbst muss man dabei vielleicht nicht mehr wissen, als dass er ein in den 1980ern schwerreich gewordener Maler-Star aus dem Stall des Galeristen Larry Gagosian war (Pop-Art im weitesten Sinne). Als Janet Malcolm in den 90ern ein Portrait über ihn schreiben will, ist sein Stern bereits im Sinken. Dem Text kommt das zugute. Und dass sich die Autorin selbst nicht mehr ganz sicher ist, was sie eigentlich an Salle so fasziniert oder ob ihre Schreib-Obsession die zweijährige Recherche, in der sie ihn immer wieder trifft, überhaupt überleben wird.
Das Geniale an dem Portrait besteht dann darin, dass es nicht "fertig" geworden ist. Und dass Malcolm sich stattdessen traute, die 41 "falschen" Einstiege in ein Portrait über David Salle als Portrait über David Salle zu veröffentlichen (und der New Yorker das dann auch tatsächlich so gebracht hat – it wouldn't have happened here?!).
Der Reiz liegt also im Scheitern: An der Beschreibung von David Salles Aussehen (gut, mit Pferdeschwanz), der Gefahr des "overliking". An dem, was er über Kunst zu sagen hat (interessiert Malcolm nicht im geringsten – sie findet nur sein Leben spannend). An der Angst, dass es zu wenig "action" gibt. Oder an dem, was Autoren generell zu Malern hinzieht: das Selbstbewusstsein, der Style, das Nonverbale (kurz: The Art Life – vgl. auch David Lynch).
Meine Lieblingspassage ist Fehlstart 24 (sie hat die tatsächlich auch noch nummeriert):
One day, the artist David Salle and I talked about Thomas Bernhard’s novel “The Loser.”
“I’m a third of the way through it,” I said, “and at first I was excited by it, but now I’m a little bored. I may not finish it.”
“It’s so beautiful and so pessimistic,” Salle said.
“Yes, but it doesn’t hold your interest the way a nineteenth-century novel does. I’m never bored when I’m reading George Eliot or Tolstoy.”
“I am,” Salle said.
I looked at him with surprise. “And you’re not bored when you’re reading Bernhard?”
“I’m bored by plot,” Salle said. “I’m bored when it’s all written out, when there isn’t any shorthand.”
Das auf dem Foto ist übrigens nicht Janet Malcolm, sondern Johanna Adorján, die sehr lebendig in Berlin lebt, gerade einen Feuilleton-Roman (Ciao, KiWi) draußen hat und die ich zuletzt für den Tagesspiegel portraitieren durfte. Ganz ohne Overliking, die Action bestand aus gemeinsamem Zeitunglesen, aber leider gab es auch keine 41 Fehlstarts.
Quelle: Janet Malcolm Bild: Nokia 800 Tough EN www.newyorker.com
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Thomas Bernhard langweilt Leute die nicht über sich selber lachen können, sage ich als apodiktischer Dummkopf.