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Sachbuchautor über Romane in Berlin. Letzte Veröffentlichung: "Mein Leben als Tennisroman" (Blumenbar). Kolumne "Bad Reading" im Freitag (das meinungsmedium).
Dienstagnachmittags stehe ich relativ ungeschützt mit Joachim Lottmanns neuem, pinkfarbenem Roman „Sterben war gestern – Aus dem Leben eines Jugendforschers“ (KiWi) als Erkennungszeichen in der Hand am Nordbahnhof rum. Die Märzsonne scheint auf den Vorplatz und ich warte darauf, dass mich Lottmann hier mit „einem kleinen roten Auto“ konspirativ aufsammelt, um uns dann für unser geplantes Gespräch irgendwo hinzufahren. So war es vereinbart, aber jetzt fehlt Lottmann, beziehungsweise es fahren ab und zu kleine rote Autos vorbei, und in keinem von ihnen ein Autor.
Doch Lottmann ist längst da: Intensiver SMS-Dialog, wer wo ist („kenn mich nicht so aus, hier ist ganz viel MAUER“). Als ich ihn anrufe, geht er natürlich nicht ran. Eine Viertelstunde später finde ich ihn tatsächlich in dem kleinen roten Auto hinter dem Nordbahnhof: Wir sind uns noch nie begegnet und ich freue mich, den legendären Großonkel der Popliteratur (Jahrgang 1956) endlich kennenzulernen. Seine frühen Romane, die großen Deutschland-Abrechnungen „Mai, Juni, Juli“ und „Deutsche Einheit“, habe ich verschlungen, seine ZEIT-Portraits über Götz George und Alexa Hennig von Lange waren bester deutscher Gonzo-Journalismus, ebenso wie sein taz-Blog „Auf der Borderline nachts um halb eins“. Aber dann fiel Herrndorfs Vorbild in Ungnade, zu ironisch, zu unkorrekt, too old white male. Inzwischen gibt es nicht mal mehr den taz-Blog. Aber Lottmann veröffentlicht immer noch tapfer Romane, lektoriert vom alten Freund Helge Malchow.
Gutgelaunt steige ich mit Maske zu Lottmann in den Nissan. Er steht im absoluten Halteverbot, die aus Wien mitgebrachten Schnelltests müssen warten. Wenn es bei Sophie Passmann kürzlich in ihrem „Selbsthass“-SZ-Interview hieß: „Bitte beschreiben Sie nicht meine Wohnung!“, so ruft hier alles: Bitte beschreiben Sie meinen Wagen. Das Smartphone ist als Navi neben das Lenkrad geklemmt, auf dem Armaturenbrett liegen die taz und ein paar Antifa-Poster. Ein gut gealterter Lottmann im Anzug mit rosa umrandeter Sonnenbrille am Lenkrad. Mit angenehm ruhiger Erzählstimme sagt er nicht, wo es hingehen soll. Aber man merkt sofort: Er hat sich was überlegt, um das langweilige Portrait-Genre Spaziergang mit Schriftsteller zu vermeiden.
Los geht’s, die Bernauer hoch, Richtung Nordosten, Hauptsache nicht ins verhasste Westberlin. Nach fünfhundert Metern hält er wieder an, damit wir die Schnelltests machen können, die er mitgebracht hat – und die wir beide vergeigen, weil wir uns mit der Gebrauchsanweisung, der richtigen Handlungsabfolge für Stäbchen, Röhrchen und Teststreifen, hoffnungslos vertun. Durchgefallen beim Schnelltest, wir sind begeistert – „das ist ja alles Stoff für Ihr Portrait!“ –, weil wir so gesehen jetzt schon praktisch nichts mehr falsch machen können.
Was mir vorschwebte war ein großes Insider-Gespräch über die Literatur und den Betrieb, Lügen und Autofiktion, seinen neuen Roman. Zu ihm pilgern wie Terrence Malick einst zu Heidegger, Stuckrad-Barre zu Suter, mit der Frage: „Was weiß Lottmann?“ – Aber das kann ich natürlich vergessen. Bereits beim Einsteigen ins „kleine rote Auto“ wird mir sofort klar, dass ich mich damit selbst in einen Lottmann-Roman gesetzt habe, in dem Nachfragen zwecklos und die Story im nacherzählbaren Sinne egal ist. Es geht eher um Sound und Haltung, ums Weiterschreiben im Zwischenreich zwischen Suada und Gaga: Schriftsteller spielen, um weiter das Writing Life zu genießen (oder selbstironisch auszuhalten).
Das führt dazu, dass es mir dann nichts ausmacht, zwischen Danziger und Greifswalder immer wieder im Berliner Stau zu stehen, ohne zu wissen, wohin die Reise eigentlich geht. Während Lottmann mir Dinge aus seinem Romanleben erzählt, die ich alle schon kenne und bei denen man nicht weiß, ob sie stimmen: das monatliche Pendeln zwischen Berlin und Wien, wo er mit seiner superlinken Frau lebt, die für Profil schreibt. Die Freundschaft zu Sebastian Kurz, der ihn, klar, mit auf seine Auslandsreisen nimmt. Was er alles so liest (Süddeutsche, taz, „den SPIEGEL von vorne bis hinten“). Dass es für die Jugend keinen Weg zurück gibt vom Smartphone in die reale Welt (weil ihre Realität längst das Smartphone ist). Und dass wir alle auf einen Bürgerkrieg zusteuern, wenn das mit dem Internet und Corona so weitergeht…
(Teil 2: hier)
Quelle: Father John Misty Bild: Andreas Merkel EN www.youtube.com
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Schriftsteller spielen, um weiter das Writing Life zu genießen (oder selbstironisch auszuhalten)... DAS kenne ich auch :-).
Ruhigen Karfreitag wünsche ich