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Sachbuchautor über Romane in Berlin. Letzte Veröffentlichung: "Mein Leben als Tennisroman" (Blumenbar). Kolumne "Bad Reading" im Freitag (das meinungsmedium).
Ich erinnere mich: Letzten Herbst saß ich ziemlich abgeschlagen auf einer Parkbank und beschloss, mir auf keinen Fall das Buch Sempre Susan – Erinnerungen an Susan Sontag von Sigrid Nunez (Aufbau, aus dem Amerikanischen von Anette Grube) zu besorgen. Die Zeit der American Egos, dachte ich, war doch over: die Hybris, das fatale Streben nach Exzeptionalismus. Die US-Wahlen spielten gar keine so große Rolle. Es ging mir weniger um Politiker als um Leute, die mir am Herzen lagen: Künstler, AutorInnen, Kanye West. Leute, die in ihrem Erfolg so unsympathisch geworden waren, dass gleichzeitig Fame ihr Last Exit war, um überhaupt noch so was wie ein Sozialleben (mit anderen Fame-Interessierten) haben zu können.
Das meine ich durchaus selbstvorwurfsvoll. Von Susan Sontag hatte ich noch nie ein Buch gelesen. Sie interessierte mich eher als Celebrity, Selbstvermarkterin (ja ja: die weiße Strähne) und Erfinderin genialer Buchtitel: Notes on Camp, Wie wir jetzt leben, Beschreibung (einer Beschreibung), Krankheit als Metapher usw. Aus irgendwelchen Warhol-Gründen also hatte ich zumindest die Rezensionen über die 1000-Seiten-Biographie von Benjamin Moser und das sehr viel sympathischere, weil kürzere Erinnerungsbuch von Sigrid Nunez (Der Freund) gelesen. Allein wegen des perfekten Titels und der schönen Aufmachung bestellte ich mir dann doch noch Sempre Susan.
Das Buch heißt so, weil Sontag immer nur "Susan" genannt werden wollte – ein Vorname, den sie nicht besonders mochte, aber immer noch besser als "Sue" oder "Mama" fand. Und mir gefällt sofort, dass Sigrid Nunez ohne große Vorerklärungen einsteigt: Das Startum der New Yorker Intellektuellen-Ikone muss als Protagonisten-Einführung reichen, um den Fall dann mit schönen (oder auch fiesen) Anekdoten und bon mots justes gewissermaßen von hinten aufzurollen.
Sontag sucht nach einer Krebserkrankung eine Art Teilzeit-Privatsekretärin, die junge Nunez bekommt über Beziehungen zur New York Review of Books den Job, zieht in ihr Apartment am Riverside Drive ein, datet ihren Sohn David Rieff. Hat also eine Spitzenposition als teilnehmende Beobachterin, ohne jemals in Ehrfurcht oder Neid zu erstarren. So wächst einem Susan als soziales Tier (braucht immer company around, ist zu Sigrid bemerkenswert offen) und asozialer Snob ans Herz: Sie verachtet amerikanische Gegenwartsliteratur ("passé Vorstadtrealismus oder Bloomingdales Nihilismus") und Autoren, "die schreiben wie sie sprechen" (Carver). Dafür vergöttert sie Typen wie den russischen Exil-Lyriker Joseph Brodsky, mit dem sie eine Beziehung hat, weil sie sicher ist, dass er mal den Nobelpreis gewinnt.
Sempre Susan ist aber auch eine Anleitung, how to make it in America & literature – gerade als Frau. Bloß nicht "servil" sein und auf keinen Fall langweilen:
Ein anderes Mal zeigte ich ihr eine Geschichte, an der ich arbeitete und in der eine Libelle vorkam. "Was ist das? Hast du das erfunden?" Als ich ihr eine Libelle beschrieb, unterbrach sie mich. "Egal." Es war nicht wichtig; es war langweilig. "Langweilig" war wie "servil" eins ihrer Lieblingswörter. Ein weiteres war "beispielhaft". Und "ernsthaft".
Abgesehen davon, dass man an diesen Stellen gern die Originalbegriffe als englische Fußnote gehabt hätte und Nunez stellenweise zu in the know-lakonisch wird, liest sich dieses Erinnerungsbuch aber so elegant-entspannt-anregend wie eine Bunte in gut geschrieben, für Literatur-Aficionados. Und weil Nunez ihrer Mentorin durchaus nicht unkritisch gegenübersteht (Sontags Romane: eher unlesbar), bekommt sie auch die Einsamkeit, die Überkommenheit des American Egos im Streben nach Fame zu fassen.
Oder die nostalgische Sackgasse New York als Home of Eastcoast-Intelligentsia: Dachte ich auch gerade beim Gucken der aktuellen Netflix-Interview-Serie Pretend it's a city über Fran Lebowitz (not to be confused with Susan Sontags Partnerin Annie Leibovitz). Martin Scorsese lacht sich die ganze Zeit tot über die ehemalige Autorin und heutige Talkshow-Intellektuelle, die sich über dämliche Touristen und Smartphone-im-Weg-Steher aufregt, Begriffe wie Wellness oder Lifestyle abkanzelt (... dabei ist doch gerade Lifestyle völlig okay: etwas Hochphilosophisches möglichst trashy auf den Punkt bringen).
Da schimmert dann ein Großstadt-Existentialismus durch, der inzwischen selbst so kulissenhaft inszeniert wirkt wie das in HD abgefilmte Retro-Café, wo früher mal was los war und heute nur noch klinische Leere herrscht. Ende der beispielhaften Nebenbetrachtung. Ernsthaft.
Quelle: Ty Dolla $ign Bild: privat EN www.youtube.com
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Cooler song. Wie war jetzt nochmal der link zu susan sontag, sie hat die lyrics geschrieben??
;-)
seit jahren nehme ich mir ein buch, irgendeins wohlbemerkt, vor. ich glaube es steht schon im bücherschrank und wartet. sie soll ja so einzigartig sein, eine philosophin, eine die die photografie vollständig durchleuchtet und versteht. das will ich auch. neulich derweil habe ich von nunez „der freund“ gelesen und war ganz baff. mit dieser art des schreibens hatte ich nicht gerechnet. im klappentext sprach wer von humorvoll. ich war tief betroffen und fand da nicht viel humorvoll. nach diesem text hier frage ich mich, ob die zeit für ein susan original gekommen ist. danke also.