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Kurator'in für: Zeit und Geschichte Flucht und Einwanderung Fundstücke
Studium der Internationalen Entwicklung und Politikwissenschaften in Wien und Münster. Beschäftigt sich mit Sicherheitspolitik und Islamismus, unter anderem bei/mit Internationale Politik und Gesellschaft (IPG), Blätter für deutsche und internationale Politik, Internationale Politik (IP), Middle East Institute Washington, Atlantic Council, Clingendael Institute.
„Des einen Terrorist ist des anderen Freiheitskämpfer“ – dieser geflügelte Satz beschreibt einen Evergreen politischer Auseinandersetzungen: Eine allgemeingültige Definition von Terrorismus existiert nicht. Umso praktischer ist der Begriff für so manche Regierung. Terroristen sind vogelfrei, moralisch definitiv auf der falschen Seite und müssen bekämpft werden. Nach 9/11 haben die USA vorgemacht, wie unter dem Dogma der Terrorbekämpfung Tabus fallen. Al-Kaidas ehemaliges Oberhaupt, Osama bin Laden, wurde zum Inbegriff des Terroristen. Staaten und Organisationen wie die EU und UN verteilen „Terrorlabels“. Wer sich auf einer Terrorliste wiederfindet, kann mit weitreichenden Sanktionen rechnen. Der Begriff hat also ganz reale Konsequenzen. Dass es trotz dessen keine klare Definition gibt, was Terrorismus überhaupt bedeutet, macht die Sache problematisch. Heutzutage wird der Begriff inflationär verwendet – sowohl zwischen politischen Gruppen als auch zwischen Staaten.
Ganz aktuell ist der Fall der Houthis im Jemen. Die Trump-Regierung hat die Houthis und ihre Verbündeten Anfang des Jahres auf ihre Terrorliste gesetzt. Mike Pompeo begründete den Schritt mit Angriffen der Houthis auf Infrastruktur und zivile Ziele in und um Saudi-Arabien. Die von den USA unterstützte, von Saudi-Arabien geführte Koalition gegen die Houthis bombardiert allerdings zivile Ziele im Jemen in weitaus größeren Dimensionen. Müssten die USA konsequenterweise auch Saudi-Arabien auf die Liste setzen? Oder gar sich selbst?
Hilfsorganisationen schlagen jedenfalls Alarm. Jan Egeland vom Norwegian Refugee Council bringt es in diesem empfehlenswerten Gespräch auf den Punkt: Wer im Jemen Hilfe leisten will, kommt an den Houthis nicht vorbei. Immerhin kontrollieren sie weite Teile des Landes. Wenn nun Hilfsorganisationen und Logistiker Sanktionen aus Washington zu befürchten haben, ist ihre ohnehin schwierige Arbeit in Gefahr.
Davor warnt auch die ehemalige Direktorin von Human Rights Watchs MENA Division, Sarah Leah Whitson, im hier gepiqden Artikel. Das Terrorlabel werde vornehmlich als ökonomische Waffe gegen verfeindete Regierungen genutzt, erweise sich aber selbst in diesem Zusammenhang als unwirksam. Abgesehen von den dramatischen humanitären Folgen verwässere die Trump-Regierung das Konzept von Terrorismus außerdem immer weiter. Einen Hehl daraus gemacht hat Donald Trump nie: Letztes Jahr strichen die USA den Sudan von der Terrorliste, im Gegenzug versprach die sudanesische Führung, die Beziehungen mit Israel zu normalisieren. Deal!
Zwischenfazit: Niemand kann so genau sagen, was Terrorismus ist, die Mehrheit bezieht sich aber darauf, wenn es gerade passt.
Eine radikale Forderung könnte deshalb sein, den Begriff einfach zu streichen. Verwässert wie er ist, findet er vielleicht ganz von allein den Weg in den nächsten Gulli. Leider lässt sich ein etablierter Begriff nicht einfach wegwünschen.
Definitionsversuche gibt es zuhauf, besonders hilfreich finde ich dieses Paper von Jochen Hippler. Als „Terrorakte“ beschreibt er Gewalt, die politischen Zwecken dient und sich gegen Zivilisten richtet. Terrororganisationen zeichneten sich dadurch aus, Terrorakte nicht bloß sporadisch, sondern kontinuierlich und strategisch einzusetzen. Hippler fügt hinzu:
In the vast majority of cases, it (terrorism) remains an instrument or a tactical tool in the context of a broader struggle.
Es erscheint sinnvoll, Terrorismus als ein Instrument zu betrachten, anstatt Menschen als „Terroristen“ zu brandmarken, die sich entsprechend terroristisch verhalten. Entmenschlichung entgegenzuwirken ist stets eine gute Sache. Außerdem öffnet sich so der Raum für die Frage danach, warum Menschen und Kollektive in bestimmten Situationen auf bestimmte Mittel zurückgreifen. Das gilt sowohl für Einzelpersonen und nicht-staatliche Gruppen als auch für Staaten selbst.
Wenn der ad absurdum geführte Begriff des „Terrorismus“ sich schon nicht tilgen lässt, dann vielleicht doch wenigstens in eine konstruktivere Richtung führen. Derzeit sind wir leider weit davon entfernt. Erst 2016 hat die Türkei das Konzept von „unbewaffnetem Terrorismus“ eingeführt, um die Terrorkarte uneingeschränkt ausspielen zu können.
Quelle: Sarah Leah Whitson Bild: Reuters/Khaled Ab... EN www.aljazeera.com
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