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Kurator'in für: Pop und Kultur Fundstücke
Schlüsselmoment? Auf undurchsichtigen Wegen, die nichts mit Geld, sondern mit krimineller Energie zu tun haben, ergattert 1979 ein kleiner Junge seine erste Platte. "Parallel Lines" von Blondie - als Picture Disc, was wichtig ist, weil der kleine Junge damals eher visuell als musikalisch an Musik interessiert ist. Das ändert sich mit den ersten Tönen dieser Platte. Um die Geschichte kurz zu machen: Der Junge wird größer, versucht sich in verschiedenen Subkulturen und landet schließlich beim Radio, bei Gedrucktem, beim Netz, um über Musik zu reden und zu schreiben. Nur ein paar Namen: ByteFM ("Electro Royale", "Time Tunnel"), Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur, Tagesspiegel. Ein Blog namens technoarm.de und natürlich ein wöchentlicher Podcast: "Pop nach 8".
Seine große Liebe ist der Club, aber eigentlich findet er Chet Baker genauso spannend wie Blake Baxter. Mal sehen, wie das endet.
Neulich habe ich eine traurige Geschichte gehört. Es ging darin um einen Typen, der jedes Mal nach der Arbeit gesagt hat: "Wieder ein Tag kaputt!" Am Ende der Woche hieß es "Wieder eine Woche kaputt!" Und am Ende des Jahres dementsprechend "Wieder ein Jahr kaputt!" Das ist eine traurige Geschichte, weil einzelne Etappen ständig abgehakt werden und am Ende ist das Leben vorbei, ohne dass es gelebt oder vielleicht sogar genossen wurde.
Dieses "Abhaken" spielt auf eine gewisse Art auch eine Rolle, wenn sich wie jetzt das Jahr dem Ende neigt und alle möglichen Menschen ihre Musik des Jahres mitteilen, in Listen- oder Artikelform, bei Social Media oder im Radio. "Wieder ein Jahr kaputt!" Aber, das muss man fairerweise sagen, es geht nicht nur ums Abhaken, es geht ja auch ums Reflektieren und um das eventuelle Revidieren (vorschnell) gefällter Urteile.
Obwohl ich auch eine Liste mit meinen Lieblingstracks und eine mit meinen Lieblingsalben erstellt habe, begeistert mich diese Form des Jahresrückblicks eher weniger. Selbst als Musikjournalist muss ich sagen: Wer kennt schon all diese Musiker*innen, diese Bands, diese Songs, diese Alben? Und wer hat schon die Zeit, das dann alles rauszusuchen und nachzuhören? Aber es gibt eine Art des Jahresrückblicks, die ich ganz und gar toll finde, nämlich die als Gemeinschaftsprojekt im Radio. Wenn das gut gemacht wird, dann ist alles da: eine subjektive, aber nicht willkürliche Auswahl an Themen und Musik. Interessante Geschichten. Und gleich der passende Sound, ohne dass im Netz oder bei den Streaminganbietern danach gesucht werden muss.
Ich war gerade Teil des musikalischen Jahresrückblicks der "Soundcheck"-Sendung bei Radioeins vom rbb. Sowieso schon eine tolle Sendung, bei der jeden Freitagabend vier Musikauskenner*innen über vier verschiedene neue Alben sprechen, die entsprechenden Songs spielen und am Ende bewerten. In der Spezial-Ausgabe unter Leitung von Ausnahmemoderator Andreas Müller jetzt zum Jahresende aber hat das noch mal eine nächste Qualitätsstufe erreicht: So sprechen Menschen, die Musik schätzen und ernst nehmen, über Musik. Und zwar ohne Rücksicht auf die Industrie, ohne irgendjemandem nach dem Mund zu reden, ohne zu sehr Fan zu sein. Zwei Stunden, die wirklich schnell vorübergehen, danach ist man schlauer und hat vielleicht sogar wieder mehr Lust auf das, was im Pop so passiert, zum Beispiel im nächsten Jahr.
Quelle: Andreas Müller Bild: radioeins www.radioeins.de
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