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Kurator'in für: Zeit und Geschichte Fundstücke
Michaela Müller, in Dachau geboren, studierte Politikwissenschaften, Zeitgeschichte und Geschichte Asiens in Berlin. Sie schreibt über Menschenrechte, Migration und Ostafrika. Aufenthalte in Kenia, New York, Paris, Somalia und Somaliland. Bücher/Essays: Vor Lampedusa (2015), Auf See. Die Geschichte von Ayan und Samir (2016). Für piqd wählt sie Texte über die Geschichte des Holocaust, Arbeitergeschichte, Migration und Mentalitätsgeschichte aus.
In dem lohnenswerten Longread widerlegt der Historiker Bodo Mrozek den Klassenbegriff, den Alexander Gauland und Anhänger der AfD immer wieder aufrufen, als ahistorisches Konstrukt.
Angelehnt sind diese Überlegungen an die des britischen Journalisten David Goodhart, der, nebenbei gesagt, auf eine ähnliche Laufbahn wie Gauland zurückblickt. Ihm zufolge gibt es Anywheres, Somewheres und die Inbetweeners. Die Anywheres seien eine Art globale Elite. Ihnen gegenüber werden die Somewheres gestellt, die im Gegensatz zu den Anywheres nicht mobil und tief in Heimat und Tradition verwurzelt seien. Hinzu kommen noch die Inbetweeners, die in ihren Ausführungen jedoch keine weitere Rolle spielen.
Mrozek weist dann darauf hin, dass die Relevanz kultureller Inhalte in der Geschichtswissenschaft derzeit zu wenig Beachtung fände. Das schaffe eine Lücke, die die Rechten mit einem ahistorischen Klassenbegriff zu füllen versuchen.
Diese Ignoranz rächt sich in dem Moment, wo Kultur zur Kampfzone politischer Konflikte erklärt wird – eine ungeahnte Volte, die der Rechtspopulismus in Adaption linker Identitätspolitik derzeit vollzieht.
Mrozek zeigt anhand der Beispiele Musik, Essen und Reisen auf, dass Transnationalisierung nie nur den Eliten vorbehalten war, sondern immer auch Teil der Geschichte der Mittelschicht war:
Italienische Eisdielen hatten sich seit dem späten 19. Jahrhundert etabliert, und besonders in Hamburg erfreute sich die chinesische Küche schon früh großer Beliebtheit.
(...) erfuhren gerade die "Gastarbeiterküchen" wie die griechische oder jugoslawische beziehungsweise "Balkanküche" seit den 1970er Jahren eine schichtenübergreifende Akzeptanz – und waren damit erheblich weiter verbreitet als etwa die als Haute Cuisine der Oberschicht geltende französische Gastronomie.
All das belegt er gegen Ende auch mit Zahlen und kommt zu folgendem Schluss:
Die deutschen Funktionseliten sind damit nicht die Vorreiter von Globalisierung und Integration, sondern das Schlusslicht.
Quelle: Bodo Mrozek zeit.de
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