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Ich bin Journalist und berichte über Kultur, Bildung und Ideen. Zum Beispiel über traurige Komiker, zärtliche Pornos und Ethikseminare für Frontex. Schreiben ist Denken. Und Staunen ist ein guter Anfang.
Als Redakteur arbeite ich für DIE ZEIT und ZEIT ONLINE im Hamburg-Ressort. Zuvor war ich Chefredakteur des Studierendenmagazins »Zeit Campus«. Ältere Texte von mir findet man auch auf »Spiegel Online«, in »Spex« und im »Missy Magazine«.
Studiert habe ich amerikanische Kultur, Medienkultur und Politik in Hamburg und Washington, DC, aktuell mache ich berufsbegleitend einen Master in Geschichte Europas in Hagen.
Tic Tac Toe konnten nicht wahnsinnig gut rappen. Sie waren erfunden worden von einer Managerin. Und sie kamen in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre »auf den Markt«, als es in Deutschland sehr viele Bands gab, die nicht gut rappen konnten und von Plattenfirmen lanciert worden waren.
Nach allem, was man heute über diese Jahre hört und liest, schwammen die Labels im Geld (es war die goldene Zeit nach der Markteinführung der CD und vor der Erfindung von Napster, das MTVIVA-Zeitalter) und Deutschrap und HipHop-Klamotten waren das neue kommerzielle Ding. Ein Umstand, der von der Szene reichlich beklagt wurde. Beispielhaft Max Herre damals: »A&Rs seh'n aus wie B-Boys, die Kultur zerschellt am Geld, die mediale Definition von HipHop ist 'ne Farce, wir tun was wir immer taten, nur der Kontext ist im Arsch.«
Dass Tic Tac Toe — keine riesengroßen Skills, noch dazu »fake« — damals von vielen nicht ernst genommen und seitdem weitgehend vergessen wurden, ist also vielleicht gar nicht so überraschend. Trotzdem handelte es sich um eine besondere Band, deren Bedeutung neu bewertet werden muss.
Das zumindest schreibt Valerie Schönian, ein Fan von Tic Tac Toe, im hier gepiqden Artikel aus der ZEIT.
(Full disclosure: Ich arbeite auch bei der ZEIT, kenne Valerie Schönian aber nicht persönlich und bin ihr keinen Gefallen schuldig. Und wo wir gerade bei den Geständnissen sind: Ich war auch mal so etwas wie ein Fan von Tic Tac Toe, zumindest wie vom Blitz getroffen, als ich eines Wochenendvormittags in meinem Kinderzimmer saß, die N-Joy-Radio-Charts hörte und in den Neuvorstellungen Ich find dich scheiße gespielt wurde. Sprüche wie »ich find dich scheiße« oder »jeden Tag nur Sonnenbank, du hast dir schon dein Hirn verbrannt« — wow, das war für mich völlig neu und unerhört, das kannte ich vom Schulhof aber nicht aus dem Radio. Ich kaufte das erste Album auf MC, hörte es laut und oft, hatte aber vor Klappe, die 2te die Abbiegung zum »richtigen« Rap hinbekommen und hielt Tic Tac Toe fortan vermutlich für »sellout«. Das so ausführlich, weil es meine Urteilskraft möglicherweise trübt und weil es hier um identifikatorische Lesarten geht, dazu gleich mehr.)
Valerie Schönian schreibt:
Tic Tac Toe. Erinnern Sie sich? Das war eine der erfolgreichsten deutschen Pop-Gruppen der Neunziger. Lee, Ricky und Jazzy. Drei Frauen, jung und schwarz, die ständig ›scheiße‹ sagten, die drei Millionen Alben in nur 18 Monaten verkauften, die vor ausverkauften Hallen spielten und die Vorgruppe von Michael Jackson waren.
Warum wird diese Band heute erinnert als »eine der peinlichsten deutschen Mädchenbands«? (Dieses Zitat stammt aus dem Handelsblatt, nicht unbedingt eine Autorität auf dem Gebiet der Popkritik, aber sei's drum, andere würden das wohl auch unterschreiben.)
Valerie Schönian schreibt kein Wort über Skills oder den pophistorischen Kontext, das empfinde ich als Schwächen dieses wirklich bemerkenswerten Textes. (Andererseits: Hatte Picasso Skills? Oder The Velvet Underground? Geht es nicht mehr um Ausdruckskraft als um Handwerk? Aber historisch gehört die »realness«-Kritik hier dazu.)
Schönian geht es um etwas anderes: Sie schreibt, dass die Band nicht zuletzt deshalb bedeutsam war, weil es sich um junge, schwarze, unangepasste Frauen handelte, die damals medial kaum repräsentiert wurden. Und, dass die Band auch deshalb von (Boulevard-) Medien zerstört wurde.
Ohne Tic Tac Toe wäre sie selbst heute möglicherweise keine Feministin, schreibt Schönian. Dass Marlene Tackenberg alias Jazzy ihr im Interview sagt, sie hätten keine »Emanzen« (Vokabular der '90er) sein wollen und hätten auch ihre Erfahrungen mit Rassismus nicht thematisierten, ändert daran nichts. Kennen wir ja aus dem Deutschunterricht und gilt für Popmusik noch mehr: Nicht die Intention des Künstlers zählt, sondern die Wirkung seines Werks.
Und bei Popmusik geht es nur zum Teil um Musik, genauso wichtig oder wichtiger sind die Identifikationsangebote, die da gemacht werden.
Dass Tic Tac Toe trotz (oder eher: wegen?) ihres Erfolges damals oft ignoriert oder verlacht wurden, dass sie kaum im Kontext von Sexismus oder Rassismus rezipiert wurden, ist laut Schönian auch dem Umstand geschuldet, dass jene, die sich wohl vorrangig mit Tic Tac Toe identifizieren konnten (junge Frauen, Schwarze, Benachteiligte), kaum medialen Einfluss hatten in Deutschland.
Deshalb war diese Band, wenn man Valerie Schönians Argumentation folgt, nicht bloß eine von vielen, sondern einzigartig, wichtig – und ihrer Zeit voraus.
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