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Medien und Gesellschaft

Olaf Scholz-Deepfake kündigt AFD-Verbot an

René Walter
Grafik-Designer, Blogger, Memetiker | goodinternet.substack.com

Irgendwas mit Medien seit 1996, Typograph, Grafiker, Blogger. Ask me anything.

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René WalterMontag, 27.11.2023

Die Künstlertruppe um Philipp Ruch, das Zentrum für politische Schönheit, hat eine Website veröffentlicht, auf der ein gefälschter Kanzler Olaf Scholz einen Verbotsantrag der rechtsextremen Partei AFD fordert. Garniert wird die Fälschung mit mutmaßlich KI-generierten Stimmen von Bernd Höcke, Alice Weidel und Alexander Gauland, die Definitionen von Ausgrenzung, Demokratiefeindlichkeit oder Holocaust verlesen, sowie rund 2500 Beweisen, in denen verfassungsfeindliche und extremistische Aussagen von AFD-Politiker in O-Tönen dokumentiert sind. 

Ich bin nicht zu 100 % sicher, ob es sich bei dem Video, in dem Olaf Scholz den (leider) fiktiven Verbotsantrag ankündigt, um einen tatsächlichen Deepfake handelt, oder "nur" um cleveres Video-Editing, mir erscheinen einige der Lippenbewegungen asynchron zum gesprochenen Inhalt, was allerdings auch das Resultat von noch nicht ausgereifter AI-Technologie sein könnte. Auch die gefälschten Stimm-Aufnahmen könnten durch gutes Sound-Editing erstellt worden sein, doch dafür erscheinen mir die gesprochenen Sätze zu kohärent in der Betonung.

Doch damit natürlich nicht genug: Die gefälschte Verbotsankündigung ist nur der Auftakt für die Installation eines Gefängnisbaus für AFD-Politiker vor dem Bundeskanzleramt: Ein Ausstellungsraum, in dem Fotomontagen und/oder mutmaßlich KI-generierte Bilder von AFD-Mitgliedern hinter Gitterstäben gezeigt werden. 

Aus der Pressemitteilung des ZPS:

Ausgewählte Mitglieder der AfD wurden heute morgen im Bundestag in Gewahrsam genommen und in die provisorische Justizvollzugsanstalt „Robert Lehr“ vor dem Bundeskanzleramt verbracht. Der 16 x 5 m hohe Sicherheitsbau wurde auf dem Vorplatz des Bundeskanzleramtes in Berlin errichtet. Die Öffentlichkeit ist herzlich eingeladen, sich vor Ort von den Gefährdern der Demokratie ein Bild zu machen.

Die Aktion dürfte, wie so viele des ZPS, für Gesprächsstoff sorgen und ich bin gespannt, welcher der gefälschten Politiker sich wann und in welchem Kontext echauffiert: Die SPD fordert eine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Medieninhalte, während die AFD als erste "politische Kraft" synthetische Bilder für ihre rechtsextreme Propaganda einsetzte. Es könnte durchaus interessant werden, wenn Nazis im Bundestag über eine gefälschte Verbotsankündigung debattieren wollen, die mit echten rechtsextremen Zitaten garniert ist.

Die Kunstaktion wirft Fragen zu Karl Poppers Toleranz-Paradoxon auf, nach dem Toleranz intolerant gegenüber Intoleranz sein muss, um eine tolerante Gesellschaft zu ermöglichen. Der Gefängnisbau symbolisiert genau diese Intoleranz, während die Fälschung als illegitimes und leicht zu produzierendes Mittel in Zeiten Künstlicher Intelligenz und der digitalen Editierungs-Logik dem ganzen eine unangenehme und beunruhigende Note verleiht: Wie leicht kann Propaganda mit echten Fakten vermengt werden und zu politischen und/oder totalitären Zwecken ge- und missbraucht werden?

Mal wieder eine Kunstaktion des ZPS mit jeder Menge versteckter Ebenen und doppelten Böden, die eine Menge Fragen stellt und unbeantwortet lässt. An meinen Favoriten – Höckes Holocaust-Mahnmal – reicht sie zwar nicht ganz heran, aber auch hier finde ich das Spiel aus politischen Realitäten und monumentaler Provokation sehr gelungen.

Olaf Scholz-Deepfake kündigt AFD-Verbot an

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Kommentare 11
  1. Lutz Müller
    Lutz Müller · vor 12 Monaten

    Der Autor, Journalist und Jurist Heribert Prantl in seiner SZ-Kolumne über eine Möglichkeit zu verhindern, dass Höcke mit der AfD, wie er sagt, an die "Hebel der Macht" gelangt:

    "Im Grundgesetz gibt es ein Instrument, um genau das zu verhindern: ... Es steht in dem ziemlich unbekannten ... Artikel 18 , der von der sogenannten Grundrechtsverwirkung handelt ... Die Grundrechtsverwirkung ist die Sanktion des Grundgesetzes für Grundrechtsmissbrauch: Wer bestimmte Freiheitsgrundrechte zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung missbraucht, verliert damit das Recht, sich auf diese Grundrechte zu berufen; er verliert das Recht auf politische Aktivität.

    Dieses Instrument des wehrhaften Staates nach Artikel 18 ist eigentlich viel einfacher zu handhaben als ein Parteiverbot nach Artikel 21 Absatz 2; zu prüfen ist ja hier nicht die kämpferische Verfassungsfeindlichkeit einer ganzen Partei, sondern ... eines einzelnen besonders extremen Mitglieds. Umso mehr verwundert es, dass es ein politisches Aktionsverbot auf Basis des Artikels 18 noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik gegeben hat."

    https://www.sueddeutsc...

  2. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor fast ein Jahr

    Ergänzend sei diese Einschätzung zu einem AfD-Verbot des bekannten politischen Kommentators Albrecht von Lucke empfohlen:
    https://www.sueddeutsc...

    1. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast ein Jahr · bearbeitet vor fast ein Jahr

      Lucke bringt zwar ein paar gute Argumente, aber ich glaube, er hat trotzdem nicht recht. Zumindest sollte man ein Verbot von Teilen der Partei - sprich: der Landesverbände in Thüringen und Sachsen - mal ernsthaft angehen. Wenn sich nachweisen lässt, dass die dortigen AfD-Verbände im Grunde einen Systemumsturz fordern, also eine Einparteiendiktatur, so unrealistisch das auch immer sein mag, dann haben sie im demokratischen Wettstreit nichts mehr verloren.

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor fast ein Jahr

      @Dirk Liesemer Ich fürchte, die Passage unten trifft ins Schwarze. Zumal - wie Steffen Mensching unlängst in der FAZ für "sein" Thüringen beschrieb - Höcke sich als Erhalter der Demokratie aufspielt.

      "Denn was bedeutet ein Verbot der AfD
      gerade im Osten, wo sie in diversen Bundes-
      ländern in den Umfragen derzeit die stärks-
      te Partei ist? Mit einem Verbot würde man
      über einem Drittel derer, die heute über-
      haupt noch willens sind, wählen zu gehen,
      die Partei ihrer Wahl nehmen. Mindestens
      in deren Augen wäre das eine hochgradige
      Infragestellung der Demokratie.
      Mehr noch: Der Versuch, eine Partei,
      just bevor sie bei den drei Landtagswahlen
      im nächsten Jahr die stärkste Kraft zu wer-
      den droht, durch ein Verbotsverfahren zu
      stoppen, wäre für die demokratischen Par-
      teien ein politischer Offenbarungseid. Das
      kann nur weitere Abwendung von der De-
      mokratie zur Folge haben, weil damit auch
      ein konkretes inhaltliches Angebot verbo-
      ten und die oft beschworene Repräsentati-
      onslücke noch weiter aufgerissen wird."

    3. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast ein Jahr · bearbeitet vor fast ein Jahr

      @Achim Engelberg Das Argument der Repräsentationslücke hat was für sich, andererseits ist es ein Totschlag-Argument, auch ein Verbot der NSDAP hätte einst eine Repräsentationslücke gerissen. Zudem wäre sie im Falle der AfD eigentlich erst dann geschlossen, wenn die Partei mitregieren würde. Überhaupt hat die ganze Diskussion einen komischen Zug: Bei der NPD hieß es, sie sei zu klein, weshalb man sie nicht verbieten müsse. Nun heißt es, die AfD ist zu groß, weshalb man sie nicht verbieten sollte.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast ein Jahr

      @Dirk Liesemer Ein typisches Entscheidungs-Dilemma. Was auch immer man tut oder nicht tut, es kann nach hinten los gehen. Aber Politiker werden doch gewählt um zu entscheiden …..

    5. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      @Dirk Liesemer korrekt: juristisch wird ja gerade auch mit dem Gefährdungspotential argumentiert; in diesem sinne kann man die afd erst verbieten, weil / wenn sie potentiell größere StimmenanteiLe bekäme.

    6. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten

      @Cornelia Gliem Eigentlich kann man sie nur verbieten, wenn das Gefährdungspotential gerichtsfest nachgewiesen wird. Das kann mit der Größe zusammenhängen, muß aber nicht. Es wurden ja auch sehr kleine radikale Gruppen verboten.

    7. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl stimmt, das ist genauer...

    8. Dennis Schmolk
      Dennis Schmolk · vor fast ein Jahr · bearbeitet vor fast ein Jahr

      @Dirk Liesemer Ja, da stimme ich zu, ich halte diese Verbotsfrage auch weniger für eine politische, als eher für eine rechtliche Frage. Wenn eine Organisation verfassungsfeindlich auftritt und wirkt, sollte sie verboten werden, oder? Unabhängig von "politischen" Fragen wie Repräsentation. (Und man könnte ja wiederum politisch argumentieren: Wenn Rechtsbruch durch lokal mächtige Gruppen nicht geahndet wird, schadet auch das der Idee eines demokratischen Staates.)

      Unabhängig davon: Die ZpS-Aktion ist mal wieder eine sehr gelungene Verquickung von Kunst und Politik.

    9. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor fast ein Jahr

      @Dennis Schmolk Anscheinend fressen viele Rechtsextreme Kreide; eben sahen wir es bei Wilders im Nachbarland und ähnliches weiß Steffen Mensching aus Thüringen über einen Auftritt von Höcke zu berichten:
      "Der Oberlehrer hatte Kreide gefressen. Die Vorwürfe, die AfD wolle die Demokratie zerstören, seien unrichtig, das Gegenteil sei der Fall: Sie wolle sie erhalten, stärken. Die Menschen, das hat der Politprofi begriffen, verlangen aktuell Perspektiven, Stabilität, Kontinuität. mit bloßer Negativität kann man in Krisenzeiten keine Mehrheiten gewinnen. Mantraartig nahm Höcke sechzehnmal das Wort „Demokratie“ in den Mund und wurde regelrecht poetisch, als er den Ostdeutschen Honig ums Maul schmierte: Sie seien „demokratieverliebt“, „demokratievernarrt“, dem Westen voraus, quasi die völkische Avantgarde."

      https://www.faz.net/ak...

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