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Quelle: privat
Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
In den letzten Jahren erscheinen vermehrt Bücher von deutschen Autoren mit fremd klingenden Pseudonymen, welche vortäuschen sollen, dass sie Einheimische jener Gebiete sind, in die deutschsprachige Urlauber bevorzugt aufbrechen. Mithilfe der Lektüre derartiger Bücher hoffen sie, sogenannte authentische Einblicke ins Land zu erhalten. Doch würden sie diesen auch Glauben schenken, wenn zugegeben würde, dass ein Werner oder eine Dagmar sie verfasst hat, Landsleute also, die genauso nur ausschnittsweise auf die Region schauen, wie die Kurzzeitbesucher selbst? Anscheinend ist mit dem leichten Kitzel des Sich-Eingeweiht-Fühlens gut Kasse zu machen. Doch unter Vorgabe von Orts- und Mentalitätskenntnissen werden hier im Grunde nur oberflächliche Wahrnehmungen reproduziert, die das anscheinend immer noch viel zu bedrohliche Fremde auf ein ferienerträgliches Maß herunterbrechen. Portugal unter deutscher Reiseleitung sozusagen, in Buchform verpackt.
Kürzlich versuchte ich, eines dieser Machwerke zu lesen. Verfasser ist Luis Sellano, ein vorgeblicher Portugiese, der das Land so sehr liebt, wie es am Klappentext heißt, dass er seine Krimis in Lissabon spielen lassen muss. Natürlich hielten auch sogenannte Lissabon-Fernsehkrimis meiner Prüfung nie stand, in denen eine rumänischstämmige Deutsche die portugiesische Assistentin eines ebenso Deutschen gibt, der sich depressiv schnaufend, portugiesenmäßig sozusagen, über die Hügel der Hauptstadt treiben lässt. In der Istanbul-Version dieser grandiosen Marketingidee spielt den Assistenten ein spanischstämmiger Schauspieler mit perfekten Deutschkenntnissen ohne Akzent. Auf den Ursprung all dieser Phänomene, den allbekannten Venedig-Krimi, in denen eine deutsche Produktionsfirma die von einer Amerikanerin verfassten, in der Serenissima verorteten Bücher verfilmt, von denen sie nicht will, dass sie je ins Italienische übersetzt werden, um sich keine Feinde unter den Einheimischen zu machen, möchte ich hier gar nicht eingehen.
Zurück also ins Lissabon von Dietmar oder Manfred oder wie immer derjenige heißt, der als Luis Sellano firmiert. Da kommt mir leider noch ein weiterer erfolgreicher Fake in den Sinn, ein Schweizer Philosophieprofessor, der tut als wäre er Pessoa und unglaubliche Erkenntnisse über das Leben im allgemeinen während einer Zugreise nach Lissabon erfährt. Oh, und nicht zu vergessen, jene Wiener Mimin und Literatin, die sich vor Jahren nicht entblödete, in einem Fernsehfilm in der traditionellen Tracht einer alentejanischen Bäuerin aufzutreten. Auch sie seufzte und weinte sehr viel.
Immerhin hat „Luis Sellano“ den Anstand, einen aus Deutschland zugezogenen Helden in Lissabon zu zeigen, der die Verwicklungen, die ihm sein Onkel in Form eines Antiquariats überlassen hat, aufzulösen. Seltsamerweise gelingt es diesem Helden, die berühmten Plätze und Straßen, durch die heutzutage massenhaft Touristen drängen, während seiner Gänge menschenleer und melancholisch gestimmt vorzufinden. Um noch mehr Atmosphäre zu erzeugen, streut er zuweilen zwei, drei Worte Portugiesisch ein, die dann unverzüglich ins Deutsche gebracht werden. Doch sein Übersetzungsprogramm scheint nicht immer zu funktionieren. So bestellt der Held Bier auf italienisch, birra statt cerveja oder es entfährt ihm gleich zu Anfang der Ausruf um brasileiro, als er eine junge Frau anhand ihres Akzents und ihrer – natürlich – dunkleren Haut, als aus Brasilien stammend identifiziert. Als ob es in der portugiesischen Grammatik keine weibliche Form gebe, die sie als uma brasileira – wenn schon – bezeichnen würde. Überhaupt sind die Frauen, die einem deutschen Helden in Portugal nun mal widerfahren, ob er das möchte oder nicht, immer wieder umwerfend.
Am liebsten würde man Lesern derartiger Bücher zurufen, bleibt bitte zu Hause, wenn ihr nicht ein bisschen Fremde ertragen könnt! Oder den etwas Klügeren von ihnen: Bitte macht euch die Mühe und treibt Romane auf, die von wirklichen Portugiesinnen geschrieben werden. Aber leider ziehen die deutschen Verlage da auch nicht recht mit. Es kostet einfach mehr, die Übersetzung eines Romans anfertigen zu lassen, in dem dann vielleicht Dinge vorkommen, die so gar nicht zu dem Wohlgefühl passen, nach dem der Urlauber verlangt. Man will sich doch sein schönes Bild von Portugal, Frankreich, Spanien etc. nicht verderben lassen!
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Luis Sellano ist der Schriftsteller Oliver Kern, bei Wiki leicht zu finden. Seine Lektor*innen sind wirklich furchtbar - weitere Beispiele: das Alfama, der Saudade. Ein Graus. Aber: Ist die Forderung wirklich richtig, dass nur „wirkliche“ Portugiesen Romane schreiben dürfen, die in Portugal spielen? Oder dann nur „wirkliche“ Deutsche Romane, die in Deutschland spielen? Oder nur „wirkliche“ Italiener usw. usw. Das ist doch sehr eng gedacht.