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Quelle: privat
Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
Alles was ich vorab über Kenah Cusanits Babel gehört hatte, klang vielversprechend.
Im Zentrum des Romans stehen die Ausgrabungen rund um Babylon, die der deutsche Bauforscher und Architekt Robert Koldewey geleitet und dafür gesorgt hatte, dass das berühmte Ischtartor letztlich in Berlin landete. Wir erfahren von den Schwierigkeiten, mit denen er zu kämpfen hatte, um dieses Vorhaben zu ermöglichen:
Der nahende Erste Weltkrieg bedroht den Fortgang des Projekts; die ständige Konkurrenz mit von Briten geleiteten archäologischen Stätten ist belastend; deutsche Behörden und Geldgeber müssen umworben werden; fachliche Diskussionen über Babylons Bedeutung ermöglichen erst die Legitimation dieser Ausgrabungen; Transportprobleme müssen gelöst, Konflikte mit Konkurrenten und Mitarbeitern durchgestanden werden; die Kommunikation mit Einheimischen erfordert langwierige interkulturelle Verhandlungen. Dazu kommen die Beeinträchtigungen der Europäer angesichts des ungewohnten Wüstenklimas. All dies wird von der meist reglosen, an einer Blinddarmentzündung leidenden Figur Koldeweys in einem inneren Monolog vorgetragen, dessen Material die Autorin und studierte Altorientalistin aus zahllosen Dokumenten zusammengestellt hat. Babel ist ein Buch, das vor allem aus Büchern gemacht ist und teilweise trocken wie die Wüste. Nahezu die ganze Zeit über bleiben wir im Kopf des Protagonisten, den Cusanit aus Schriften und Briefen konstruiert. Deshalb ist auch die indirekte Rede die häufigste Verlaufsform. Sätze beginnen oft folgendermaßen:
„Delitzsch schreibt, dass Wiegand schreibt, er wünsche, dass ich wisse...“
Wenig bewegt sich, das Geschehen bleibt statisch und unkörperlich. So entsteht eher der Eindruck eines vielschichtigen Gemäldes als der einer Erzählung. Das ganze Buch über hoffte ich auch auf das Erscheinen der britischen Orientexpertin Gertrude Bell, die manchmal kurz erwähnt wird. Leider kommt es zu keiner Begegnung, was schade ist, denn Frauen gibt es in dieser Wüste so gut wie keine. Eine Konfrontation von Bells Sicht der Region mit der Koldeweys wäre spannend gewesen.
Doch gibt es durchaus witzige Passagen. z.B. als der Archäologe die Briten über den Stand der Ausgrabungen im Unklaren lassen will und deshalb in seiner Korrespondenz wichtige Begriffe durch harmlos alltägliche ersetzt:
„Mussten Orte und Funde näher bestimmt werden, bekamen sie Eigennamen: Der Palast Nebukadnezars, aus dem die wertvollsten Funde erwartet wurden, hieß „Hans“.“
Schön ist auch die Passage über Dschirds, mit Zugtieren betriebene Ziehbrunnen, deren Wärter singen, während diese Wasser aus der Tiefe pumpen. Diese Melodie und der Rhythmus des Brunnens existieren seit 5000 Jahren. Stets war die Grundlage der sich entwickelnden und wieder verschwindenden Kulturen das Wasser gewesen, um überhaupt Land bebauen zu können und aus der Kultivierung Kultur zu schaffen.
Cusanit zieht in Babel sogar Parallelen zwischen damals und heute, kommentiert die Orient-Begeisterung Berlins und des wissbegierigen Kaisers mit Witz, enthält sich aber jeglicher Kritik am kolonialen Raub von Kulturgütern, was angesichts der aktuellen Diskussion um die Restitution an deren Ursprungsländer auf der Hand gelegen hätte.
Dafür werden 202 an der Ausgrabung Babylons beteiligte, einheimische Arbeiter namentlich aufgeführt, um die Wahrnehmung zu brechen, es sei nur ein einzelner Mann gewesen, der diese kulturelle Leistung erbracht habe. Immerhin trugen die Arbeiter mit ihren Körpern dazu bei, das Vergangene an die Oberfläche zu fördern. Was wir noch heute in Berlin bewundern können, wurde durch ihre Muskelkraft erst sichtbar.
Möglicherweise ist Babel eine Non-Fiktion, auch wenn es keine einheitliche Ordnung des Wissens darin gibt. Elemente romanhaften Erzählens jedenfalls sind wenige vorhanden. Und das ist vielleicht der größte Coup. Dass Cusanit ihre Leserinnen die staubtrockene, unsinnliche und mühselige Arbeit Koldeweys in der Lektüre nachvollziehen lässt.
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