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Fundstücke

Explosives Erbe: Munition auf dem Meeresgrund in Nord- und Ostsee

Susanne Franzmeyer
Piqer für Radio Features
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Susanne FranzmeyerDonnerstag, 25.11.2021

Nach dem zweiten Weltkrieg wollten die Alliierten die nicht mehr benötigte Munition - von Granaten bis zu Torpedoköpfen oder Bomben - so schnell wie möglich loswerden. Die einfachste und kostengünstigste Lösung schien damals zu sein, alles im Meer zu versenken.

"Und die rosten jetzt vor sich hin, und da treten die Explosivstoffe aus. Das heißt also, wir müssen jetzt handeln."

Fischer verdienten sich damals ein wenig damit, die Sprengkörper aufs Meer hinauszufahren und dort zu versenken. Dass sie dabei nicht immer weit genug hinausgefahren sind, um noch mit einer weiteren Ladung mehr Geld zu verdienen, zeigen Untersuchungen.

"In den Meeren liegt alles frei und offen. Es sind bis heute nur ganz wenige Stellen als Sperrgebiete ausgewiesen. Die meiste Munition liegt da einfach frei verfügbar. Jeder kann da hin. Und sie liegt ja direkt vor den Stränden, direkt küstennah, da ist es vielleicht 10, 20 Meter nur Wassertiefe tief."

In Zukunft wird wohl eine ganze Flotte von Unterwasserfahrzeugen auf Munitionssuche gehen müssen, um die gefährlichen Altlasten vom Meeresgrund zu bergen. Ein Meeresbiologe hat erschreckende Zahlen zusammengetragen:

"Vor 20 Jahren wurde also offiziell immer behauptet, an der deutschen Nordseeküste wären etwa 10.000 Tonnen konventionelle Munition noch zu erwarten heute. Und Giftgasmunition wäre da gar nicht versenkt worden. Und Unfälle hätte es eigentlich auch bis heute kaum welche gegeben (...) Ich habe damals schon als erster vor gut 20 Jahren herausgefunden, dass für die deutsche Nordseeküste man etwa mit 1,3 Millionen Tonnen Munition rechnen muss, zuzüglich auch Giftgasmunition. Und auch die Unfälle sind also viel, viel häufiger gewesen, als es bisher dargestellt wurde. Also ich habe in den vielen Jahren Recherche weit über 1000 Opfer durch versenkte Munition allein in Deutschland belegen können."

Heute wird sogar von 1,6 Millionen Tonnen ausgegangen. Auch Lorenz Marckwardt, Fischer und Vorsitzender des Fischereiverbands Schleswig-Holstein, hat schon Granaten, Torpedoköpfe oder Wasserbomben aufgefischt. Wenn ein Fischer einen solchen Fang bemerkt, muss eigentlich sofort der zuständige Kampfmittelräumdienst gerufen werden. Dem ist aber nicht immer so:

"Ja, auch, wenn man das Netz aufholt, und da hängt so ne Granate im Netz. Dann versucht der Fischer dat Ding gleich wieder loszuwerden, gar nicht erst, dass es aufs Schiff kommt, weil er ja die Befürchtung hat, da passiert ein Unglück. Und schon fällt das wieder irgendwo ins Wasser. Dann kommt der nächste vorbei, weil er die Position ja nicht kennt, schleppt das wieder ein Stück weiter, fischt das neu wieder auf. Und somit hat sich natürlich die ganze Munition im Meer weit verstreut."

Spätestens seit 2018 sei klar, dass die Munition dringend geborgen werden muss. Wenn die Sprengladungen durch Durchrostung in die Umwelt gelangen, ist vieles zu spät. In Fischen sind mancherorts längst Sprengstoffverbindungen nachgewiesen worden. Sie haben Lebertumore entwickelt. Schon jetzt gibt es Verletzungen z.B. durch an den Strand angespülten weißen Phosphor, der dem Bernstein zum Verwechseln ähnlich sehe, und der zu starken Verbrennungen führe.

Der Klimawandel verstärkt das Problem noch, da durch Stürme mehr Munition am Meeresboden bewegt und geschädigt werden wird. Eine einzige Seemine zu bergen kann allerdings bis zu 30.000€ kosten. Weicht man dem Thema aber aus, wird es noch teurer. Wenn das hochexplosive Material geborgen ist, muss es noch entschärft werden.

"Wir haben in Deutschland eine einzige Firma, die das machen kann. (...) Die ist ausgelastet bis zum Gehtnichtmehr."

Das Feature zerrt all diese Dinge an die Wasseroberfläche und macht auf die Dringlichkeit aufmerksam, zumindest mehr zur Abschwächung der Probleme zu unternehmen, die da zukünftig noch auf uns zurollen.

Explosives Erbe: Munition auf dem Meeresgrund in Nord- und Ostsee

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Kommentare 1
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 3 Jahren

    Das ist ein wichtiges Thema, weil ähnliches für das Schwarze Meer gilt und Teile des Mittelmeers.

    Und die UNO-Flüchtlingshilfe warnt immer wieder vor Landminen:
    https://www.uno-fluech...

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