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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Die Expansion weckte bei den Neumitgliedern Hoffnungen auf wirtschaftlichen Aufschwung und auch politische und gesellschaftliche Annäherung. Gleichzeitig gab es in Westeuropa Befürchtungen bezüglich Migration, Lohndruck und der finanziellen Folgen der Integration. Die Skepsis war gegenüber den fünf Staaten aus Mittel- und Osteuropa besonders gross. Die Integration von Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien und der Slowakei wurde als sehr herausfordernd angesehen. Betrachtet man die wirtschaftlichen Kennzahlen dieser fünf Länder, so lässt sich ein deutlicher Aufschwung seit dem EU-Beitritt feststellen. Dabei haben vor allem die ärmeren Länder aufgeholt.Wie die Datenanalyse zeigt, gilt das vor allem für die ersten zehn Jahre. In allen aufgenommenen Staaten Mittel- und Osteuropas rückte das Wohlstandsniveau näher an den EU-Durchschnitt heran. Ein großer „Gewinner" war Polen.
Es konnte sein Bruttoinlandprodukt pro Kopf fast verdreifachen, es betrug 2020 inflations- und kaufkraftbereinigt 22 640 statt 8870 Euro wie zwanzig Jahre zuvor. Auch im Vergleich zum EU-Mittelwert hat sich Polen verbessert. Lag die Wirtschaftsleistung pro Kopf 2004 bei rund 48 Prozent des Durchschnitts, waren es 2020 bereits 76 Prozent.Das Lohnniveau in den fünf mittel- und osteuropäischen Staaten verbesserte sich vor allem zu Beginn der EU-Mitgliedschaft. Die Gehälter stiegen relativ gesehen zum EU-Schnitt an. Ab 2008 erhöhte sich das Lohnniveau jedoch nur noch marginal. In der Slowakei ist überhaupt keine Annäherung an das EU-Niveau sichtbar.
Während in Tschechien nach dem Beitritt unter dem Strich mehr Menschen einwanderten, war in Polen bis vor wenigen Jahren eine deutliche Abwanderungsbewegung zu beobachten. Die Spitzenwerte beider Tendenzen wurden nach dem Beitritt erreicht. In den letzten Jahren hat sich in Polen das Blatt gewendet: Es wandern mehr Menschen ein, als dass das Land verlassen.
Hier hatte - wie Richard Grieveson (stellvertretender Direktor des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche) in seinem NZZ-Interview bemerkte - diese EU-Erweiterung auch negative Auswirkungen. Und zwar für die neuen Mitgliedsländer, die einen Teil der Bevölkerung nach Westeuropa verloren. Das waren ja meist gut ausgebildete junge Menschen.
Das hat in gewissen Ländern den Stadt-Land-Graben verstärkt, und das zeigt sich zum Teil auch in den politischen Entwicklungen, etwa in Polen. Und in manchen Ländern kam die wirtschaftliche Entwicklung nicht ganz so schnell voran. Die Stars sind Polen, Rumänien und das Baltikum. In Ungarn, Tschechien oder Slowenien ging es weniger schnell, wobei die letzten beiden von Anfang an reicher waren.
Zwar ist seit ein paar Jahren ist zum Beispiel in Polen der Wanderungssaldo positiv. Und es gibt inzwischen auch gut ausgebildete Leute, die nach Osteuropa zurückgehen, aber das ist noch kein Trend.
Die Wanderungsbilanz ist positiv geworden, weil diese Länder auch das Ziel von Migranten sind, allen voran für Flüchtlinge aus der Ukraine. Aber auch weil sie Arbeitskräfte ausserhalb Europas anwerben, vor allem in Asien. Auch sie leiden unter Fachkräftemangel, Tschechien ist besonders betroffen.Insgesamt hat Deutschland besonders stark von diesen Wanderungsbewegungen profitiert. So gingen von 2000 bis 2020 2,1 Mio. Polen in die Bundesrepublik, fast 840.000 nach Großbritannien und gut 400.000 in die USA. Auch für Slowenen, Ungarn und Tschechen war Deutschland das bevorzugte Ziel. Slowaken hingegen wanderten eher nach Tschechien aus. Wie in diesem Zusammenhang sagt:
Die Menschen aus den neueren EU-Ländern retten den westeuropäischen Arbeitsmarkt seit Jahren.
Trotzdem haben sich die wirtschaftlichen Strukturen der aufgenommenen osteuropäischen Volkswirtschaften in den letzten 20 Jahren wenig verändert.
Sie waren auch im Kommunismus stark industrialisiert, bevor dann nach der Wende der Zusammenbruch kam. Durch die Direktinvestitionen aus Westeuropa wurden sie reindustrialisiert. Heute macht die Industrie wieder 20 bis 30 Prozent des BIP aus. Exporte – in Ungarn und der Slowakei machen sie etwa 90 Prozent des BIP aus – bestehen ebenfalls hauptsächlich aus Industriegütern. In Ungarn und der Slowakei sind es etwa 91 Prozent. …. Selbst in Deutschland sind es nur 50 Prozent, in Frankreich oder Italien eher 30 Prozent. Selbst im globalen Vergleich sind die Visegrad-Länder hoch industrialisiert.
Was in in den vergangenen Jahrzehnten eine Stärke war, die Konzentration auf die Produktion, wird aber zunehmend problematisch. Gefordert ist eine Innovations- oder Industriepolitik, wachsende Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen.
Insgesamt konstatiert Grieveson allerdings, dass auch die sozialen Entwicklungen relativ positiv sind.Natürlich gibt es soziale Herausforderungen, wie überall in Europa. Aber in den Visegrad-Ländern und Slowenien sind die Werte für Ungleichheit und Armut ähnlich wie in Westeuropa, wenn nicht sogar niedriger.Einen nicht so auf die wirtschaftliche Entwicklung zielenden Blick wirft Andreas Ernst in der NZZ auf die Osterweiterung vor 20 Jahren, mit der für ihn die EU wirklich europäisch wurde – und zu mehr als einem Marktplatz. Er sieht diesen Schritt als eine eine Zangengeburt. Zwar waren die Osteuropäer immer mit grosser Mehrheit für den Zusammenschluss. Sie kannten die Gefahr, die von Rußland als Nachbarn ausging genau.
In Westeuropa dagegen hatten viele gemischte Gefühle. Die politische und wirtschaftliche Elite Frankreichs machte sich Sorgen, dass die Osterweiterung Deutschland stärken und den französischen Einfluss in der Union schwächen würde (was auch geschah). Es war schon damals offensichtlich, dass das wiedervereinigte Deutschland der kontinentale Dreh- und Angelpunkt zwischen Ost und West würde.Heute sehen wir, wie wichtig diese Integration der Osteuropäer auch aus sicherheitspolitischer Sicht war. Wie sehr insgesamt die EU Ausdruck von Interessenpolitik gewesen ist und sein wird. Das ist sicher ein Punkt, über den die Europäer und besonders wir Deutschen noch mal nachdenken und diskutieren sollten. A. Ernst formuliert es vielleicht etwas krass, aber deutlich:
Anders als in Brüssel gern behauptet wird, ist die EU eben keine Wertegemeinschaft und ist es immer weniger. Sie ist es höchstens in dem Sinn, dass alle ihre Mitglieder zumindest behaupten, die «Herrschaft des Rechts» zu akzeptieren, eine Rechtsgemeinschaft also. Genügt das für den dauerhaften Zusammenhalt? Vielleicht dann, wenn gleichzeitig das Bewusstsein wächst, auch eine Schicksalsgemeinschaft zu sein. Der Begriff ist nicht überzogen angesichts der Bedrohung aus Russland, der brüchig gewordenen Beziehung zu den USA und der wirtschaftlichen Konkurrenz mit China.So ist es wohl …..
Quelle: Nikolai Thelitz, Nina Belz Bild: nzz.ch / Kartengr... www.nzz.ch
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Ein gutes Thema für Forum.EU, danke. Es ist ziemlich ins Hintertreffen geraten, sicher wegen der aktuellen Diskussionen um den Beitritt der Ukraine und anderer osteuropäischer Länder.
Für das neue Konzept einer Debattenplattform wäre es ideal, auch die Perspektiven der neuen EU-Mitglieder aufzugreifen, die vor 20 Jahren beitraten.
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