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Zeit und Geschichte

Die Legende vom Dolchstoß

Hauke Friederichs
Journalist und Autor
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Hauke FriederichsMontag, 20.11.2017

Dieser Untersuchungsausschuss setzte sich mit einer Frage auseinander, der das ganze Land beschäftigte. Wer hatte Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs - und indirekt auch, wer war für die Niederlage verantwortlich. Bei den Friedensverhandlungen von Versailles übertrugen die Sieger allein dem Kaiserreich und dessen Verbündete die Verantwortung für den Ausbruch des Konflikts. Schon bald sprachen viele nationalgesinnte Deutsche auch deswegen vom Schandfrieden von Versailles. 

Am 18. November 1919 hatte der parlamentarische "Untersuchungsausschuss für die Schuldfragen des Weltkrieges" einen besonderen Zeugen geladen: Paul von Hindenburg sollte die Fragen der Abgeordneten beantworten. Ausgerechnet der vom Charisma eines Ersatzkaisers umhüllte Feldmarschall, der das Heer in den letzten Kriegsjahren geführt hatte, verriet seine Sicht auf das Ende des Weltkriegs. Verantwortlich für die Niederlage bekannte er sich nicht. Im Gegenteil. Die Ausschusssitzung im Reichstagsgebäude in Berlin "war jener Moment, als die Dolchstoßlegende gleichsam in Bronze gegossen wurde", stellt Alexander Gallus fest.

Diese Legende vom Dolchstoß behauptete, das deutsche Heer sei unbesiegt geblieben. Die Niederlage von 1918 habe die schwächelnde Heimatfront zu verantworten. Politik, Gewerkschaften und kriegsmüde Bürger hätten "der stolzen Armee und ihrer Führung einen Dolch in den Rücken gestoßen".

Vor allem die Sozialdemokraten, die bald die erste Regierung der Weimarer Republik stellten, wurden nun für die Niederlage verantwortlich gemacht. Die Weimarer Republik begann mit einer schweren Hypothek. "In der Dolchstoßlüge schwang stets ein grundlegender Angriff auf Republik und Demokratie mit", schreibt Gallus für das Magazin ZEIT Geschichte. Da half es auch nicht, dass der Reichspräsident und Sozialdemokrat Friedrich Ebert heimkehrende Soldaten als Helden begrüßte: "Kein Feind hat euch überwunden."

Die Legende vom Dolchstoß

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Kommentare 3
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 7 Jahren

    Zu Friedrich Ebert fällt mir immer der Satz ein: "Er hatte nicht die siegreiche Front, wohl aber die siegreiche Revolution von hinten erdolcht."
    Er findet sich in diesem Buch: https://www.rowohlt.de...
    Gewiss schrieb Sebastian Haffner es mit Abneigung, zuweilen überspitzt er, aber wesentliche Aspekte erhellt er.
    Passend dazu:
    „Wenn der Kaiser nicht abdankt, dann ist die soziale Revolution unvermeidlich. Ich aber will sie nicht, ja ich hasse sie wie die Sünde", zitiert Prinz Max von Baden in seinen Erinnerungen Friedrich Ebert.

    1. Bernd Oswald
      Bernd Oswald · vor 7 Jahren

      der Kaiser hat dann ja doch recht schnell abgedankt - und trotzdem ist es zur Revolution gekommen, und das war auch gut so, war es doch die Geburtsstunde der deutschen Demokratie. Leider auch ein blutgetränkter Anfang der Demokratie, wenn ich an die gewaltsame Niederschlagung der Münchner Räterepublik denke.
      Dass so ein besonnener Mann wie Friedrich-Ebert so angefeindet wurde - der Artikel spricht ja von der abgewandelten Dolchstoßlegenden-Karikatur der kommunistischen Roten Tribüne - geht mir bis heute nicht recht in den Kopf. Gegen die politische Polarisierung in der Weimarer Republik ist die heutige Polarisierung im Bundestag fast ein Kindergeburtstag.

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 7 Jahren

      @Bernd Oswald Unter dem Reichspräsidenten Ebert, der 1914 die Kriegskredite bewilligt hatte, fand die Niederschlagung der Münchener Räterepublik statt. Nach dieser von Ebert mitverursachten Niederlage der Linken erkoren Hitler und seine Komplizen München zur „Hauptstadt der Bewegung“. Wenig bekannt ist heute, wie die Vernichtung der bayerischen Linken nicht nur Kommunisten schockierte; Rainer Maria Rilke zum Beispiel zog nach einer wüsten Hausdurchsuchung in die Schweiz, er betrat nie mehr deutschen Boden.

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