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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Am 11. November 2021 verabschiedete das 6. Plenum des 19. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas eine Resolution mit dem Titel „Über die großen Erfolge und die historischen Erfahrungen des hundertjährigen Kampfes der Partei“. Seit der Gründung der KPCh im Jahr 1921 war dies erst das dritte Mal, dass ein Parteiführer die autoritative Bewertung der Vergangenheit für notwendig erachtete.
Allein schon dieser Einstieg zeigt die außerordentliche Bedeutung dieses Dokuments, das Daniel Leese, Sinologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, im Vergleich mit den beiden Vorgängern erläutert und diskutiert.
Die erste Geschichtsresolution publizierte im April 1945 Mao Tse-tung, die zentrale Gründungsgestalt der 1949 entstandenen Volksrepublik China. Mit dieser erhob er sich zum Ausnahmeführer und seine Interpretation der Schriften von Marx, Lenin und Stalin zur einenden Ideologie:
Die Resolution selbst bestand vorwiegend aus einer Einteilung der jüngeren Parteigeschichte in Phasen rechter oder linker Abweichungen vom korrekten Pfad. Geschasste Führungskader wurden harsch kritisiert, aber nicht hingerichtet. Die Resolution zementierte somit Maos Rolle als politischer und ideologischer Übervater der Partei.
Erst fünf Jahre nach Maos Tod, im Juni 1981, erschien die zweite Geschichtsinterpretation. Sie beantwortete die Frage, wie man mit den Millionen Toten und Entwurzelten umgeht, die durch die Politik des jungen Staates entstanden waren.
Die Resolution etablierte die offizielle Deutung Maos als tragischen Helden, der das Land mit seiner Kulturrevolution aus hehren Motiven ins Chaos gestürzt und damit schwere Fehler begangen habe, aber keine Verbrechen.
Diese wurden den „Cliquen“ um Maos Frau Jiang Qing und den vormaligen Verteidigungsminister Lin Biao angelastet.
Mao blieb der Partei damit als widersprüchliches Symbol erhalten.
Die ersten beiden Resolutionen waren Weichenstellungen nicht nur für die Interpretation der vergangenen Jahrzehnte, sondern zeigten einen Weg, der eingeschlagen worden war und der lange Jahre dominant blieb.
Im Artikel wird der krumme Weg bis heute skizziert.
Dennoch lag der Schwerpunkt der ersten beiden Geschichtsresolutionen in der Deutung der Vergangenheit, die aktuelle und dritte bietet eine "historische Mission", die China zugeschrieben wird.
Unter der Führung Xi Jinpings sollen bis 2035 die Grundlagen des machtpolitischen Aufstiegs der Volksrepublik gelegt werden. Bis Mitte des 21. Jahrhunderts soll China eine moderne sozialistische Großmacht geworden sein. Geschichte dient als Hintergrundfolie, um politische Entscheidungen der Gegenwart zu legimitieren und einen Erwartungshorizont für die Zukunft aufzuspannen. Nicht kritische Rückschau, sondern Stolz auf Partei und Nation stehen im Zentrum.
Wie dies zu deuten ist, bleibt selbst unter Sinologen umstritten, ja es gibt sich widersprechende Interpretationen über Xi Jinping:
Während die einen die Resolution als Ausdruck seiner endgültigen machtpolitischen Durchsetzung betrachten, erkennen andere darin einen rein symbolischen Anspruch, der die ungelösten Verwerfungen innerhalb der Partei zu übertünchen trachte.
Auf jeden Fall verankert die Resolution ein Programm, dessen Umsetzung offene Fragen beantworten wird:
Mit ihrer Verabschiedung etabliert die Parteiführung eine autoritative Bewertung von Vergangenheit und Gegenwart sowie einen neuen Rahmen des politisch Sagbaren.
Das Dokument hat absoluten Geltungsanspruch und wird damit auch für journalistische und wissenschaftliche Textproduktion der verbindliche Referenzpunkt. Zentrale Inhalte werden mit umfangreichem exegetischem Material zunächst von den 95 Millionen Parteimitgliedern einstudiert und dann weiter in die Gesellschaft getragen.
Kritik an der offiziellen Deutung ist nunmehr justiziabel, und innerparteiliche Versuche einer Unterminierung von Xis Rolle kämen einem Putschversuch gleich.
Daniel Leese stellt den Aufbau dieses außerordentlichen und besorgniserregenden Dokuments dar. In diesem wird die Geschichte Chinas als Fortschrittserzählung in großen Sprüngen gedeutet. Die Hinweise auf Marxismus und Dialektik dagegen sind oft nur rhetorisch und haben mit der Weltliteratur, die der große Deutsche schrieb, wenig bis nichts zu tun.
Selbst die Abfolge von Geschichtsformationen, die die Vorgänger von Marx übernahmen, fehlt diesmal. Nicht einmal eine Klassentheorie, der Kern aller marxistischen Geschichtsinterpretationen, gibt es, aber dafür steht das Nationale im Fokus.
Die Geschichte wird weichgezeichnet, aber eine Bedrohung wird bezeichnet:
Als größte Gefahr für den langfristigen Machterhalt der Partei wird die Korruption benannt. Ähnlich hatte sich bereits im Jahr 2015 Xis enger Vertrauter Wang Qishan in einem Gespräch mit Francis Fukuyama geäußert, dem er bei dieser Gelegenheit vor allem demonstrieren wollte, dass die Geschichte nicht nur ein mögliches Ende kenne.
Antikorruptionskampagnen, machtpolitische Zentralisierung und die Schärfung des politischen Bewusstseins werden als entscheidende Grundlagen präsentiert, um die einmalige Chance ergreifen zu können, das globale Machtgefüge zu verschieben.
Als zentrales Ziel wird die Wiedervereinigung mit Taiwan genannt, was tatsächlich nur in einer globalen Krise zu erreichen ist.
Insgesamt durchzieht die Vorstellung eines parteistaatlichen Paternalismus die Resolution wie ein roter Faden:
Die Partei plant das Glück für das Volk, stärkt die globale Anziehungskraft der chinesischen Kultur und macht China zu einer Großmacht.
Das Fazit ist ernüchternd und spiegelt die realen Machtverhältnisse in China wie in der Welt wider.
Allerdings bleibt Geschichte offen und kann nicht vorhergesagt werden. Bekanntlich hatte selbst ein antiker Held wie Achill eine schwache Stelle, in der ein mögliches Scheitern angelegt war.
So könnte der unaufhaltbare Aufstieg des Führers Xi Jinping ein aufhaltbarer sein:
Ungeklärt lässt die Resolution hingegen die Achillesferse aller autokratischen Systeme: die Regelung der Nachfolge.
Hier scheint das Dokument vielmehr das Fundament für eine bislang nicht vorgesehene Verlängerung der Herrschaftsperiode Xi Jinpings auf dem 20. Parteitag Ende 2022 zu legen. So richtet die historische Resolution letztlich alle Aufmerksamkeit auf die großen Aufgaben der Zukunft und lässt keinen Zweifel daran, dass nur ein Mann geeignet scheint, den machtpolitischen Aufstieg Chinas anzuführen.
45 Jahre nach Ende der Kulturrevolution lässt sich damit die Rückkehr zum Modell charismatischer Herrschaft in der Volksrepublik China konstatieren, trotz aller bekannten Gefahren und Probleme.
Alternativ kann man den Text kurze Zeit über Blendle lesen.
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