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Zeit und Geschichte

Streit um Winnetou: Gespräch mit Karl-May-Biograf Rüdiger Schaper

Dirk Liesemer
Autor und Journalist
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Dirk LiesemerFreitag, 26.08.2022

Der Streit um Winnetou war absehbar, es brauchte nur einen Anlass. Und den gab es mit dem Filmstart von "Der junge Häuptling Winnetou" und der Publikation von Kinderbüchern zum Film im Ravensburger Verlag. Die Kritik am Film und an den Büchern – angeblich kulturelle Aneigung und kolonialistischer Blick – brandete zuerst auf Instagram auf. Der Verlag zog daraufhin nicht sehr geschickt die Bücher zurück, wofür es wiederum viel Kritik, aber auch ein bisschen Lob gab:

In der taz schrieb Literaturredakteur Dirk Knipphals

Es ist aber auch ganz gut, daran zu erinnern, worum es hier in der Sache erst mal geht: um verantwortungsvolle Verlagsarbeit. In ihrem Sinne gibt es gute Gründe dafür, den „Jungen Häuptling Winnetou“ – eben kein Karl-May-Original, sondern ein hastig geschriebenes Merchandisingprodukt zu einem Kinderfilm – zurückzuziehen.

Anders sieht das Andreas Brenne, der als Professor für Kunstpädagogik und Kunstdidaktik an der Universität Potsdam lehrt und die Karl-May-Gesellschaft in Programmfragen unterstützt.

Nach Brennes Worten ist das Buch unbedenklich, weil ja schon in einer Vorbemerkung klargestellt werde, dass das Buch als fiktive Geschichte und nicht als sachgerechte Darstellung des Lebens indigener Völker zu verstehen sei. „Hier hat wohl die Angst der Marktingabteilung des Verlages, das Haus könne in Verruf kommen, das Vorgehen diktiert“, analysierte Brenne […]

Und er sagt auch:

Andreas Brenne warnt derweil davor, den Vorwurf der falschen kulturellen Aneignung unreflektiert zu generalisieren. „Schon das Verkleiden als Indianer gilt dann als rassistischer Akt“, kritisierte Brenne, der zugleich Karl May (1842-1912) selbst gegen den Vorwurf des Rassismus und Kolonialismus in Schutz nahm. Der Vorwurf gegen den Klassiker der Wildwestliteratur, er habe den Völkermord an den indigenen Völkern Nordamerika ignoriert, sei falsch. In den 1893 publizierten Winnetou-Romanen werde das ja gerade geschildert. „Das ist ja gerade ein zentrales Motiv bei Karl May“, präzisierte Brenne.

Dass das Vorgehen des Ravenburger Verlags nicht sonderlich geschickt war, schreibt Gustav Theile im Wirtschaftsteil der FAZ:

Der erste Fehler, das hat Ravensburger längst eingeräumt, wurde gemacht, als die Titel ausgewählt wurde, ohne dass man sich der möglichen Folgen bewusst war. „Man hätte wissen müssen, dass Winnetou in identitätspolitischer Hinsicht Kritik hervorruft“, sagt Bernhard Fischer-Appelt, Mitgründer und Chef der gleichnamigen PR-Agentur, die als eine der wichtigsten des Landes gilt. „Als Unternehmen sollte man sich vorher darüber Gedanken machen, welche Wirkung man mit so einem Buch erzielt“, sagt Annika Schach, PR-Professorin und wissenschaftliche Leiterin der Deutschen Akademie für Public Relations.

Beim Streit geht es aber vor allem um unseren Blick auf andere Völker, um fiktionale Ausschmückungen und um die deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts. Empfehlen möchte ich ein kurzes, emotionales Gespräch mit Rüdiger Schaper, der eine Karl-May-Biografie geschrieben hat und das Feuilleton des Tagesspiegel leitet. Schaper sagt, es sei richtig, sich Klischees genauer anzuschauen, aber man müsse intelligenter mit Tradition umgehen als es derzeit geschehe.

Widersprechen will ich Schaper an einer Stelle: Dass der Begriff Indianer nicht mehr geht, stimmt nicht – siehe hier ein Interview mit der Historikerin Heike Bungert.

Streit um Winnetou: Gespräch mit Karl-May-Biograf Rüdiger Schaper

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